Buchstabe b: Der strafrechtliche Tatbestand. 227
Dienstboten handelt, der nicht die weitgehende Berufspflicht
habe, sich nach dem Bestehen der etwa für Dienstboten geltenden
besonderen Bestimmungen zu erkundigen. In dem Urteil III
vom 18. 10. 1915 (Pr. Verw. Bl. Bd. 37 S. 72 VI) wird ferner
eine Gutsbeamtenfrau, deren Mann russische Kriegsgefangene
beschäftigt, nicht für verpflichtet erachtet, sich über die Verbote
betr. Schnapsausschank an ausländische Arbeiter und Kriegs-
gefangene zu unterrichten. Diese letztere Entscheidung geht
freilich über das Ziel hinaus und muß für die Praxis als äußerst
bedenklich bezeichnet werden. Im übrigen dürften aber die vom
Reichsgericht aufgestellten Sätze als zutreffend angesehen werden.
Sie lassen sich dahin zusammenfassen: Es besteht eine VBer-
pflichtung der Erkundigung nach den Verboten des M. B.
Offentliche Anschläge und Zeitungen in den Spalten, die regel-
mäßig die Verordnungen zu enthalten pflegen, werden daher
durchzulesen sein, wobei die Umstände des Einzelfalles eine
Abänderung des Grundsatzes nötig machen können. Eine
verschärfte Erkundigungspflicht besteht für Gewerbetreibende,
die auch bei den Behörden oder sonstigen zuständigen Aus-
kunftspersonen nachzufragen haben. Eine Verletzung dieser
Verpflichtung macht die Unkenntnis des Verbots zu einer
fahrlässigen und strafbaren.
Ist die Zuwiderhandlung ein fortgesetztes Vergehen, so
muß die Unkenntnis bei sämtlichen Einzelhandlungen vorhanden
sein, um straflos zu machen. Nachträgliche, vor Beendigung
der letzten Einzelhandlung erlangte Kenntnis schadet. Wenn
also jemand ohne Kenntnis eines bestehenden Verbots einen
durch dieses verbotenen Vertrag einging, so ist die Erfüllung
desselben strafbar, wenn der Täter vor derselben Kenntnis von
der Anordnung erhielt (R.G. I vom 1. 11.1915, Leipz. Z. 1916
S. 359).
8) Der Unkenntnis steht strafrechtlich gleich der Irrtum.
Das Bayer. Ob. L. G. hat auch hier zunächst jeden Irrtum, mag
er verschuldet oder unverschuldet oder fahrlässig sein, mag er
sich auf das ganze Verbot oder einen einzelnen Ausdruck beziehen,
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