Full text: Gesetzes- und Verordnungs-Blatt für das Großherzogtum Baden. Jahrgang 1902. (34)

V. 49 
Anlage 
zur Verordnung vom 
30. Jannar 1902. 
Anweisung 
über 
das Desinfektionsverfahren bei Tuberkulose. 
1. Die Desinfektion bei Tuberkulose hat sich zu erstrecken: 
a. auf den Auswurf des Kranken, 
b. auf das von dem Kranken benützte Bert, die Leib= und Bettwäsche, Kleider, die 
Gegenstände des täglichen Gebrauchs des Kranken, wie Eß= und Trinkgeschirre, 
Bettpfannen und dergleichen, sowie die Einrichtungsgegenstände des Krankenzimmers, 
. auf das Zimmer, in welchem der Verstorbene beziehungsweise Erkrankte krank lag, 
oder sich für gewöhnlich aufzuhalten pflegte. 
II. Die Art der Desinfektion richtet sich nach den örtlichen und sonstigen Umständen und 
ist auch verschieden nach der Art der zu desinfizirenden Gegenstände. 
a. Tapezirte Wände und Decken werden mit Brod beziehungsweise mit Watte abge- 
rieben, nachdem der Boden des Zimmers mit 5 prozentiger Carbollösung") oder 
2 prozentiger Kresolseifenlösung'“) stark angefeuchtet wurde; die während des Abreibens 
auf den Boden gefallenen Brodkrumen sind sorgfältig mit den anderen zum Abreiben 
verwendeten Brodtheilen beziehungsweise den gebrauchten Wattebündeln zu sammeln 
und sofort zu verbrennen. 
Getünchte Wände und Decken werden am zweckmäßigsten mit frischem Kalk- 
anstrich versehen. 
Wandflächen, welche mit Auswurfstoffen des Kranken besudelt sind, müssen mit 
5 prozentiger Carbollösung oder 2 prozentiger Kresolseifenlösung stark angefeuchtet, und 
die Tapete beziehungsweise der Anstrich muß durch Abkratzen in entsprechender Aus- 
dehnung entfernt werden. 
Mit Oelfarbe gestrichene Wände sind mit den gleichen Lösungen sorgfältig 
abzuwaschen. 
Holzbekleidungen der Wände, Thüren, Fenster und dergleichen werden mit 
den gleichen Lösungen abgewaschen und sofort getrocknet. 
2 
*) Carbol (Carbolsäure) wie Kresolseifenflüssigkeit (Liquor kresoli saponctas) sind äzende Hautgiste und dürfen daher 
nur in verdünnter Lösung angewendet werden. 
Die Herstellung der 5 prozentigen Carbollösung geschieht in der Weise, daß 50 gr konzentrirtes Carbol, welches entweder 
in einem mit Grammtheilstrichen versehenen, aus jeder Apotheke beziehbaren Meßglas oder mittels eines Eßlöffels abzumessen 
ist, wobei der Rauminhalt eines Eßlöffels zu 15 gr angenommen werden kann, mit 1 Liter Wasser solange durch Schütteln 
oder Umrühren gemischt wird, bis das Carbol, welches schwerer ist als Wasser, am Boden des Gefäßes nicht mehr sichtbar 
bleibt. 
“.) Die Perstellung der 2 prozentigen Kresolseifenlösung geschieht durch Vermischen von 20 gr der in den Apotheken käuflichen 
Kresolseifenflüssigkeit, die etwas weniger gistig ist als das Carbol, mit 1 Liter Wasser.
	        
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