Full text: Gesetzes- und Verordnungs-Blatt für das Großherzogtum Baden. Jahrgang 1904. (36)

XIV. 103 
IV. Aufnahme und Entlaßung. 
Nach Erledigung des Vorverfahrens ordnet die Oberschulbehörde die Aufnahme des taub- 
stummen oder blinden Kindes in eine der bestehenden Anstalten auf den Beginn des Schul- 
jahres an, auf den dasselbe das in § 5 des Gesetzes vom 11. Angust 1902 bezeichnete 
Normalalter der Schulpflicht vollendet haben wird. Dabei können etwaige Wünsche der 
Eltern oder Fürsorger auf Unterbringung in einer bestimmten Anstalt, soweit angängig 
berücksichtigt werden. 
Ist die Aufnahme von den Eltern oder Fürsorgern beantragt oder durch das Vormund- 
schaftsgericht angeordnet, so kann dieselbe, wenn das Kind das Aufnahmealter bereits erreicht 
oder überschritten hat, fürsorglich auch vor Abschluß der zur Regelung des Verpflegungs- 
beitrags erforderlichen Maßnahmen verfügt werden. 
8 24. 
Die Aufnahme von Kindern, die das Normalalter für den Eintritt in eine Anstalt noch 
nicht erreicht, das siebente Lebensjahr aber überschritten haben, kann nur ausnahmsweise beim 
Vorliegen besonderer Verhältnisse angeordnet werden, insbesondere dann, wenn dieselben 
besonders begabt sind oder wenn das Gebrechen bei einem sonst normal entwickelten Kinde 
erst nach dem Eintritt in das Alter der Volksschulpflicht eingetreten oder wenn aus der 
Belassung des Kindes in seiner dermaligen Umgebung ein nachteiliger Einfluß für seine 
körperliche, geistige oder sittliche Entwickelung zu befürchten steht. 
Eine Verschiebung der Aufnahme über den Beginn des achten Lebensjahres hinaus hat 
in der Regel dann einzutreten, wenn die Kinder körperlich so schwächlich sind, daß sie eine 
besondere Pflege erfordern, oder wenn sie geistig so zurückgeblieben, daß eine erfolgreiche 
Unterrichtung ausgeschlossen erscheint. 
8 25. 
Die Entlassung aus der Anstalt wird auf Antrag der Anstaltsleitung durch die Ober- 
schulbehörde verfügt. Sie erfolgt regelmäßig nur auf den Schluß eines Schuljahres. 
Die Entlassung vor Ablauf einer achtjährigen Bildungszeit soll regelmäßig nur dann 
eintreten, wenn der Zögling nach dem übereinstimmenden Urteil aller Lehrer das Bildungsziel 
erreicht hat und wenn er auch sonst die nötige Reife zum Übertritt in einen bürgerlichen 
Beruf besitzt. 
Die Anstalten werden sich bemühen, mit ihren entlassenen Zöglingen möglichst in 
Verbindung zu bleiben und ihnen ihre Fürsorge auch weiterhin zuwenden. 
g 26. 
Insolange besondere Veranstaltungen zur Unterbringung und Pflege erwachsener Blinder, 
die das Alter der Schulpflicht überschritten haben, nicht bestehen, können solche, wenn sie nach
	        
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