Full text: Gesetzes- und Verordnungs-Blatt für das Großherzogtum Baden. Jahrgang 1910. (42)

12 II. 
Der Bescheid auf den Antrag ist schriftlich zu erteilen. Abschrift der erteilten Genehmigung 
ist alsbald der Ortspolizeibehörde und der Fabrikinspektion zu übersenden. In dem Bescheid 
ist deutlich zum Ausdruck zu bringen, daß den Arbeiterinnen eine ununterbrochene Ruhezeit 
von 10 Stunden gewährt werden muß. 
6. Bei der Genehmigung ist sowohl von der unteren als der höheren Verwaltungsbehörde 
stets ausdrücklich der Widerruf für den Fall vorzubehalten, daß die Grenzen und Bedingungen 
der Überarbeit nicht eingehalten werden oder Unzuträglichkeiten aus der Überarbeit entstehen 
sollten. Ist die Genehmigung auf Grund eines Betriebsplaues erfolgt, so ist zu fordern, daß 
der Betriebsplan mit dem Genehmigungsvermerk in den Räumen, in welchen Arbeiterinnen 
über 16 Jahre beschäftigt werden, ausgehäugt werde. 
Ist die Nichteinhaltung der Genehmigung durch den Unternehmer oder durch eine von 
ihm zur Leitung des Betriebes oder zur Beaufsichtigung bestellte Person verschuldet, so ist in 
der Regel die Genehmigung sofort zu widerrufen und die Bestrafung wegen Zuwiderhandlungen 
gegen § 137 auf Grund des § 146 Absatz 1 Ziffer 2 der Gewerbeordnung herbeizuführen. 
Die Genehmigung neuer Anträge auf Überarbeit ist zu versagen, wenn wiederholte ge- 
richtliche Bestrafungen wegen Zuwiderhandlungen gegen § 137 der Gewerbeordnung oder wenn 
andere Tatsachen vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, daß in dem Betriebe des Antrag- 
stellers eine gewissenhafte Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften nicht zu erwarten ist. Liegt 
die letzte Bestrafung drei Jahre oder länger zurück, so kann die Genehmigung erteilt werden. 
7. Voraussetzung für die Genehmigung der Überarbeit sowohl durch die untere als durch die 
höhere Verwaltungsbehörde ist eine „außergewöhnliche Häufung der Arbeit“. Diese tritt regel- 
mäßig ein bei den sogenannten Saison-Industrien, d. h. solchen, welche zwar während des 
ganzen Jahres betrieben werden, aber zu regelmäßig wiederkehrenden Zeiten im Jahre einen 
verstärkten Betrieb haben. Zu ihnen gehören zunächst manche auf den Winter= oder Sommer- 
bedarf arbeitenden Gewerbe, insbesondere verschiedene Zweige der Textilindustrie, Fabriken für 
Konfektion und Putzmacherei, Stickereien, Färbereien, Druckereien, Strohhutfabriken 2c., sodann 
die für den Bedarf an gewissen Festen (Weihnachten, Fastnacht, Ostern, Kirchweih= und 
Schützenfeste) arbeitenden Gewerbe. Einen verstärkten Betrieb können beispielsweise haben: 
Zuckerwaren-, Schokolade-, Bisquit-, Cakes-, Luxuspapier-, Kartonnage-, Masken-, Spiel- 
waren, Parfümerie= und Bisonteriefabriken, Buchdruckereien, Buchbindereien und Fabriken 
für künstliche Blumen. 
Dieser vermehrte Bedarf zu gewissen Jahres= und Festzeiten rechtfertigt aber die Ge- 
nehmigung der Überarbeit nur dann, wenn ihm nicht durch Herstellung auf Vorrat oder Lager 
Rechnung getragen werden kann. Dies trifft ohne Weiteres zu für Waren, die dem Verderben 
ausgesetzt sind, wenn sie über eine gewisse Zeit hinaus lagern. Diese Voraussetzung kann 
ferner zutreffen für Waren, die nur auf Bestellung angefertigt werden, wenn letztere nicht 
frühzeitig genug zu erlangen sind, oder für Waren, welche von der Mode abhängen, deren 
Feststellung noch abgewartet werden muß. 
Für die Saison-Industrien ist die ÜUberarbeit also nur zu gestatten, wenn und soweit 
eine verstärkte Nachfrage vorliegt, für deren Befriedigung nicht in der stillen Zeit des Jahres
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.