Full text: Gesetzes- und Verordnungs-Blatt für das Großherzogtum Baden. Jahrgang 1912. (44)

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Klasse Unter I und Ober I. Der Aufsatz erweitert sich zur Abhandlung. Die 
Schüler sind anzuleiten, Fragen des sittlichen Lebens sowie literarischer und fachwissenschaftlicher 
Art in sachgemäßer Gliederung und angemessenem Ausdruck darzustellen. Die Stoffe sind 
vorzugsweise dem Unterricht zu entnehmen, aber auch solche anderer Art, insbesondere auch 
frei gewählte, können behandelt werden. 
. Bemerkungen. 
Der deutsche Unterricht wird in der ihm zugewiesenen Unterrichtszeit sein Ziel nicht 
erreichen, wenn nicht in allen Unterrichtsfächern und auf allen Stufen das rein Sprachliche 
sorgfältige Beachtung und Pflege findet. Dazu gehört vor allem, daß in allem Unterricht 
im Sprechen, Lesen und Schreiben lant= und sprachrichtiges, reines Deutsch verwendet wird, 
daß grundsätzlich, wenn auch unter Vermeidung übertriebener, zeitraubender Pedanterie, die 
Schüler angehalten werden, in ganzen Sätzen zu sprechen, daß sie endlich stufenweise angeleitet 
werden, größer und größer werdende Gedankenreihen selbständig und zusammenhängend in 
freier Rede wiederzugeben. 
Bei allem Lesen soll das Interesse am Stoff im Vordergrund stehen. Es soll daher, 
besonders in den unteren Klassen, dem Lesen eine kurze Einführung vorangehen, die außer 
dem Hinweis auf den Stoff die sprachlichen und sachlichen Schwierigkeiten aus dem Weg räumt. 
Fragen der Sprachlehre sind in aller Kürze und nur so weit zu behandeln, als das Ver- 
ständnis des Inhalts es erfordert. Besondere Zurückhaltung in dieser Hinsicht verlangt die 
Behandlung von Dichtwerken. Kleinere Gedichte, vor allem wenn sie eine besondere Stimmung 
auszulösen geeignet sind, bleiben am besten ohne weitere Erklärung; gutes Vorlesen durch den 
Lehrer wird in manchen Fällen genügen, das Gedicht durch sich selbst wirken zu lassen. 
Größere Dichtungen sollen vor allem als Ganzes aufgefaßt werden; die Einzelbehandlung 
darf nicht so ausgedehnt sein, daß der Zusammenhang verloren geht. Auch empfiehlt es sich, 
bei ausgedehnten Dichtwerken nicht alles in der Klasse zu lesen, sondern Geeignetes durch häusliche 
Lektüre zu erledigen. Systematische übungen im Umsetzen von Gedichten in Prosa sind grund- 
sätzlich zu vermeiden. 
Für den Zusammenhang des Unterrichts empfiehlt es sich, innerhalb der einzelnen An- 
stalten einen Kanon von Gedichten aufzustellen, die besonders in den unteren und mittleren 
Klassen durchzunehmen sind. 
Eine wichtige Aufgabe des deutschen Unterrichts ist die Anleitung zu häuslichem Lesen, 
einmal so, daß der Lehrer, besonders in den untern Klassen, eine ständige, aber unaufdringliche 
Beratung des Schülers und Leitung seines Lesebedürfnisses, soweit möglich mit den Mitteln 
der Schülerbibliotheken, durchführt, dann aber auch dadurch, daß er, besonders in den oberen 
Klassen, bestimmte Lesestoffe unmittelbar der häuslichen Lektüre zuweist. 
In der Literaturgeschichte soll nicht alles in gleicher Ausführlichkeit behandelt werden. 
Weite Gebiete, die mit dem heutigen Kulturleben keine Zusammenhänge mehr haben, können 
ganz kurz erledigt werden. Inhalt dieses Unterrichtszweiges ist im wesentlichen die Geschichte
	        
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