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Beilage 1 zum Gesetz= und Verordnungsblatt für das Königreich Bayern vom Jahre 1874.“)
Erkenntniß des obersten Gerichtsbofes des Königreichs vom 8. Januar 1874 in Sachen der
Armenpflege Selbitz gegen Andreas Bächer, Weber dortselbst, Ersatzforderung, hier den verneinenden
Competenzconflict zwischen dem k. Landgerichte und dem k. Bezirksamte zu Naila betr.
Im Namen Seiner Majestät des Königs von Bayern
erkennt der oberste Gerichtshof des Königreichs in Sachen der Armenpflege Selbitz gegen An-
dreas Bächer, Weber dortselbst, Ersatzforderung, hier den verneinenden Competenzconflict
zwischen dem k. Landgerichte und dem k. Bezirksamte zu Nailla betreffend, zu Recht:
daß in dieser Sache die Gerichte zuständig seien.
Sachverhalt.
Am 30. Mai 1873 zeigte die Armenpflege Selbitz bei dem k. Bezirksamte Naila an,
daß für den verstorbenen Wilhelm Bayerlein von Selbitz Transport= und Verpflegungskosten
erwachsen seien, welche, da der Verstorbene vermögenslos gewesen, von ihr vorgeschossen worden
seien, ihr von dessen nach G. 15 des Th. II Tit. 3 des preuß. Landrechtes alimentations-
pflichtigen Geschwisterten ersetzt werden müßten, daß aber diese letzteren die Zahlung verwei-
gerten. Es wurden die fraglichen Kosten auf 8 Thlr. 1 Grosch. 9 Pf. berechnet und gebeten,
die beiden Brüder des Verstorbenen, Heinrich und Nikolaus Bayerlein, dann dessen beide
Schwäger Eberhard Vogel und Andreas Bächer zur Bezahlung dieser Summe anzuhalten.
Das Bezirksamt beauftragte hierauf mit Verfügung vom 31. dess. Mts. die Armenpflege,
den genannten Verwandten zu eröffnen, daß sie nach S. 14 ff. und §. 20 des Th. II. Tit. 3
des preuß. Landrechtes zur Deckung der Pflege= und Transportkosten gemeinschaftlich nach Ver-
hältniß ihres Vermögens verpflichtet seien und daher der Rückersatz gemäß Art. 5 Abs. 2 des
Armengesetzes beansprucht werde; die Armenpflege wurde ferner angewiesen, im Fall der Zah-
lungsverweigerung die Beträge durch den Gerichtsvollzieher einklagen zu lassen.
In Folge der vom Armenpflegschaftsrathe Selbitz an sie ergangenen Aufforderung er-
klärten sich Heinrich und Nikolaus Bayerlein, dann Eberhard Vogel zur Zahlung bereit,
wogegen Andreas Bächer jede Zahlung verweigerte.
Auf Betreiben der Armenpflege Selbitz, vertreten durch den dortigen Armenpflegschafts-
rath, lud nun der Gerichtsvollzieher Gruber von Naila den Andreas Bächer in die Sitzung
·) Ausgegeben zu München, den 14. Februar 1874.
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