36
Indem der Art. 1 im Anschlusse an F. 17 Abs. 2 des R.-G.-V.-G. die Bestimm-
ung trifft, daß die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen den Gerichten und den Ver-
waltungsbehörden oder dem Verwaltungsgerichtshofe über die Zulässigkeit des Rechtsweges
durch einen Gerichtshof für Kompetenzkonflikte erfolgt, stellt er zugleich als allgemeine Vor-
aussetzuug für den Eintritt der Thätigkeit dieses Gerichtshofes, für die Annahme des
Bestehens eines Kompetenzkonfliktes, das Vorhandensein einer Streitigkeit zwischen den
Gerichten und den Verwaltungsbehörden oder dem Verwaltungsgerichtshofe, die beiderseitige
Inanspruchnahme der Zuständigkeit auf.
Der Art. 8 des Gesetzes vom 18. August 1879, welcher festsetzt, wenn der Kom-
petenzkonflikt erhoben d. h. wenn die Entscheidung des als bestehend vorausgesetzten Kom-
petenzkonflikts bei dem Kompetenzkonfliktsgerichtshofe beantragt werden kann, steht demnach
zweifellos unter der Herrschaft des Art. 1. Besteht unter den betheiligten Behörden über-
haupt kein Streit über die Zuständigkeit, so kann von einer Erhebung des Kompetenz-
konfliktes nach Art. 8 keine Rede sein.
Die Bestimmung des Art. 8 ist ihrem Wortlaute nach deutlich und klar. Eine von
ihrem Wortlaute abweichende Auslegung könnte ihr daher nur gegeben werden, wenn fest-
stünde, daß der Gesetzgeber in der That einen andern Sinn mit derselben verbunden habe.
Hiefür liegen aber keine genügenden Anhaltspunkte vor.
Die Verhandlungen des Reichstages über §. 17 des R.-G.-V.-G. ergeben nichts dafür,
daß dem gebrauchten Ausdrucke „Streitigkeiten“ ein anderer Sinn habe beigelegt werden
wollen, als ihm nach seinem Wortlaute zukommt.
Ebensowenig geht dieß aus den Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten und
der Reichsräthe bezw. der betreffenden Ausschüsse über Art. 1 des Gesetzes vom 18. August
1879 hervor; wie in den Gründen zu dem obenangeführten Urtheile des Kompetenz-
konfliktsgerichtshofes vom 18. März 1880 hervorgehoben ist, hat sich vielmehr der Bericht-
erstatter für den Ausschuß der Kammer der Reichsräthe, ohne einem Widerspruche von
irgend einer Seite zu begegnen, in seinem Vortrage ausdrücklich dahin ausgesprochen, daß
überhaupt in dem ganzen Entwurfe des neuen Gesetzes die Grundzüge des alten Gesetzes
in allen wesentlichen Beziehungen aufrecht erhalten seien, nur mit verhältnißmäßig wenigen,
nicht prinzipiellen Modifikationen, dann mit Berücksichtigung der Möglichkeit von Konflikten