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sichtslosesten Weise vor, dergestalt, daß es sogar den für die Nachbarländer
Deutschlands bestimmten Bedarf in Kontrolle nimmt, und dadurch auch
deren Versorgung in Frage stellt.
II.
Die Britische Regierung glaubt sich über die in den Artikeln 22, 24 und
28 der Londoner Erklärung enthaltenen Listen der absoluten Konterbande,
der relativen Konterbande und der nicht als Konterbande zu erklärenden
Waren (Freiliste) ohne weiteres hinwegsetzen zu können. Sie hat in ihrer
durch die Order in Council unter Nr. 1 aufrechterhaltenen Konterbande-
erklärung vom 5. Augustl914 Luftfahrzeuge und deren Bestandteile als ab-
solute Konterbande bezeichnet, während diese nach Artikel 24 Nr. 8 der Lon-
doner Erklärung nur als relative Konterbande angesehen werden könne.
Vor allem aber hat sie in der Proklamation vom 21. September 1914
Gummi, Häute und Felle sowie verschiedene Sorten Eisenerz als relative
Konterbande erklärt, obwohl diese Gegenstände nicht oder doch nur sehr
mittelbar für kriegerische Zwecke verwendbar sind und daher auf der Frei-
liste des Artikels 28 stehen (vgl. Nr. 3, 4, 6). Damit wird zugleich allgemein
anerkannten Regeln des Völkerrechts ins Gesicht geschlagen, wonach der
neutrale Handel mit Gegenständen ausschließlich friedlichen Gebrauchs durch
die Kriegführenden nicht gestört werden darf.
III.
Eine weitere Verschärfung der Bestimmungen über die Konterbande
ergibt sich aus Nr. 2 der Order in Council. Denn der Artikel 38 der Lon-
doner Erklärung läßt, entsprechend dem geltenden Völkerrecht, eine Beschlag-
nahme des Schiffes wegen Konterbande nur zu, solange sich diese an Bord
befindet; dagegen will die Britische Regierung, wenn die Beförderung der
Konterbande unter Mitnahme falscher Papiere erfolgt ist, das Schiff
während der ganzen Dauer der Reise mit Beschlag belegen. Auf diese Weise
ist der neutrale Schiffsverkehr mit dem feindlichen Gebiet andauernden
Schikanen ausgesetzt, da das Schiff nicht nur auf Grund einer offenkundigen
Tatsache, nämlich des Vorhandenseins von Konterbande, sondern auch auf
Grund einer häufig nicht nachweisbaren Behauptung über sein früheres
Verhalten aufgebracht werden wird.
IV.
Durch die Bestimmung in Nr. 4 der Order in Council wird die Weg-
nahme wegen Blockadebruchs in unbilliger Weise erweitert, da hiernach die
Vermutung für die Kenntnis der Blockade auch dann eintreten soll, wenn
das Schiff nach Ablauf einer gewissen Zeit seit der Bekanntgabe der Blockade
eines feindlichen Hafens an die dortigen Ortsbehörden einen anderen feind-
lichen Hafen verlassen hat. Durch diese Bestimmung will die Britische Re-
gierung die Behörden des feindlichen Staates über die durch das Völkerrecht
gezogenen Grenzen hinaus in den Dienst der eigenen Seestreitkräfte stellen
und diesen Dienst durch die Wegnahme neutraler Schiffe erzwingen.
v
Nach einem in der Londoner Erklärung bestätigten völkerrechtlichen
Grundsatz dürfen an Bord eines neutralen Kauffahrteischiffes nur solche
Lersonen zu Kriegsgefangenen gemacht werden, die bereits in die feindliche
Streitmacht eingereiht sind. Dieser Satz ergibt sich aus dem Artikel 45