32 Jas Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 9. 11.)
anonymen Schimpfereien entnehmen mußte, daß sie zum Teil von gebildeten
Menschen ausgehen und meiner besonderen Betrübnis darüber Ausdruck geben
wollte, daß es überhaupt möglich wäre in unserm Vaterlande, daß derartige
Anfeindungen von Menschen ausgehen, die für sich einen gewissen Bildungs-
grad in Anspruch nehmen. Das zur Charakteristik der ganzen Bewegung !
Eins hat der Herr Abgeordnete verschwiegen: die Art und Weise, wie ich
in öffentlichen Versammlungen angegriffen worden bin, und zwar von
mir nachgeordneten Beamten, von Lehrern verschiedener Kategorien, und
zwar in Versammlungen, die von seiner Partei angesetzt worden sind.
(Unruhe bei den Nationalliberalen — Hört, hörtl rechts.) In diesen Ver-
sammlungen hat man schließlich gesagt: der Kultusminister muß in eine
Lage gebracht werden, daß er den Erlaß zurückzieht, oder er muß von
seinem Amte zurücktreten, und wenn er das nicht tut, muß man dahin
drängen, daß er das Vertrauen verliert. Meine Herren, ich will aber
über diese Betrachtungen jetzt hinweggehen; ich könnte das noch weiter
ausführen und Tatsachen anführen, die der ruhig und billig denkende
Mensch als empörend betrachten würde. Ich lasse diese Empfindungen
aber zurücktreten in der Hoffnung, daß der weitere Verlauf der mir so sehr
am Herzen liegenden Regelung der Lehrerbesoldung mein Vorgehen recht-
fertigen wird. (Lebhafter Beifall rechts, Zischen links.)
In der Besprechung stimmt die konservative Partei dem Minister
zu, das Zentrum findet, daß der Erlaß Mißverständnisse hervorrufen
konnte, die Redner der übrigen Parteien greifen den Minister scharf an;
er habe den Vorwurf der Schablonisierung und des mangelnden Wohl-
wollens gegen die Lehrer nicht entkräften können. Alle Redner fordern
ein Lehrerbesoldungsgesetz.
9. Februar. Angebliche Wahlagitation mit amtlichen Fonds.
Der ultramontane „Bayerische Kurier" veröffentlicht Briefe des
Generals Keim, des Vorsitzenden des Flottenvereins, aus denen hervor-
gehen soll, daß der Reichskanzler den Flottenverein mit amtlichen Geldern
unterstützt und bei der Abfassung von Broschüren mitgewirkt haben soll. —
Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ erwidert darauf: 1. Es sind für
die Wahlbewegung keinerlei amtliche Fonds in Anspruch genommen
worden, insbesondere hat weder der Flottenverein noch Herr Generalmajor
Keim persönlich Zuwendungen aus solchen Fonds für Wahlzwecke erhalten:
2. Von privater Seite sind zur Unterstützung regierungsfreundlicher Kan-
didaturen Mittel aufgebracht worden, bei deren Verwendung in dankens-
werter Weise auch mehrfach der Rat amtlicher Stellen eingeholt und be-
folgt worden ist. Der Reichskanzler war in der Lage, dem Fürsten Salm
in Aussicht zu stellen, daß er sich für eine Beihilfe zu den Kosten des
Wahlkampfes aus solchen privaten Mitteln interessieren werde. 3. Herr
Generalmajor Keim hat wie andere im Wahlkampf hervorragend tätig ge-
wesene Männer Gelegenheit gehabt, dem Reichskanzler über den Fortgang
seiner und des im nationalen Sinne tätigen Flottenvereins Arbeit zu be-
richten. Dabei hat er auch naturgemäß der Herausgabe von Wahl-
broschüren Erwähnung getan. An der Gestaltung dieser Broschüren hat
der Reichskanzler so wenig wie die Reichskanzlei mitgewirkt, auch eine
„Lügen des Herrn Erzberger“ betitelte Broschüre ist an diesen Stellen vor
ihrem Erscheinen nicht bekannt gewesen.
11. Februar. Das Preußische Abgeordnetenhaus ver-
weist den Gesetzentwurf über Wanderarbeitsstätten an eine Kom-
mission.