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Beilagell zum Gesetz= und Verordnungsblatte für das Königreich Bayern vom Jahre 1905.7)
Erkenntnis des Gerichtshofes für Kompetenzkonflikte in dem von der Regierung, Kammer des
Innern, von Schwaben und Neuburg dem Oberlandesgericht Augsburg gegenüber erhobenen Streite
über die Zulässigkeit des Rechtswegs für den von der Gemeinde Untermeitingen gegen den vor-
maligen Gemeindekassier, den dortigen Okonomen Georg Heiß, geltend gemachten Anspruch auf
Ersatz von 953,25 .K.
Im Namen Seiner Majestät des Königs von Bayern
erkennt der Gerichtshof für Kompetenzkonflikte in dem von der Regierung, Kammer des
Innern, von Schwaben und Neuburg dem Oberlandesgericht Augsburg gegenüber erhobenen
Streite über die Zulässigkeit des Rechtswegs für den von der Gemeinde Untermeitingen gegen
den vormaligen Gemeindekassier, den dortigen Okonomen Georg Heiß, geltend gemachten
Anspruch auf Ersatz von 953,25 M,
daß der Rechtsweg nicht zulässig ist.
Gründe.
Der Okonom Georg Heiß in Untermeitingen war Mitglied des dortigen Gemeinde-
ausschusses und wurde im Jahre 1894 zum Gemeindekassier gewählt. Als solcher hatte er
die Gemeindekasse, die Schulkasse, die Armenfondskasse und die Lokalmaljzaufschlagkasse zu
verwalten. Schon bei einem im November 1901 vorgenommenen Kassensturz ergaben sich
in den Kassen Fehlbeträge; Heiß ersetzte sie. Als bei späteren Kassenvisitationen abermals
Fehlbeträge entdeckt wurden, legte er infolge eines Beschlusses des Gemeindeausschusses das
Amt am 30. Jannuar 1903 nieder. Der damals vorgenommene Sturz der Kassen ergab
einen Fehlbetrag von 572,64.. Das Bezirksamt Schwabmünchen forderte am 10. Fe-
bruar 1903 den Georg Heiß auf, den Fehlbetrag innerhalb 14 Tagen zu ersetzen, widrigen-
falls er weitere Maßregeln zu gewärtigen hätte. Dieser Aufforderung leistete er nicht Folge.
Bald darnach wurde, weil Verdacht bestand, daß er Gelder, die er in seiner amtlichen
Eigenschaft empfangen hatte, unterschlagen und in Beziehung auf die Unterschlagung die
Rechnungen unrichtig geführt habe, Voruntersuchung gegen ihn eröffnet. Durch den Beschluß
der zweiten Ferienstrafkammer des Landgerichts Augsburg vom 28. Juli 1903 wurde er
jedoch außer Verfolgung gesetzt. Die Strafkammer nahm an, daß zwar „orechnerisch und
tatsächlich“ ein Fehlbetrag von 572,64 J¾ bestehe, daß aber dem Angeschuldigten eine bewußt
rechtswidrige Aneignung von Geldern der Gemeinde nicht nachzuweisen sei, weil „seine gesamte
Kassenführung sehr unsorgfältig, insbesondere seine Buchführung sehr mangelhaft gewesen“ sei.
*) Ausgegeben zu München, den 17. August 1905. 2