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Gegen dieses Urteil legten die Kläger die Berufung ein. Bei der mündlichen Ver—
handlung, die am 18. September 1906 stattfand, beantragte ihr Prozeßbevollmächtigter,
das angefochtene Urteil aufzuheben und nach dem in der Klageschrift gestellten Antrage zu
erkennen. Er betonte insbesondere, die Klage bezwecke den Schutz der Kläger gegen die
widerrechtliche Störung ihres Besitzes durch den Beklagten, Gegenstand des Rechtsstreites sei
daher das Bestehen eines Privatrechtsverhältnisses. Der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten
beantragte, die Berufung zurückzuweisen. Das Landgericht Passau ordnete zunächst die
Herbeischaffung der Akten der Messungsbehörde Simbach an. Noch ehe Termin zur Fort-
setzung der Verhandlung bestimmt war, ging bei dem Berufungsgerichte die schriftliche Er-
klärung der Regierung, Kammer des Innern, von Niederbayern ein, daß sie in der Sache
den Rechtsweg für unzulässig erachte, weil die Kläger dadurch, daß sie der vom Beklagten
herbeigeführten Grenzermittelung und Abmarkung die Anerkennung versagen, die Gültigkeit
der Abmarkung bestreiten und Streitigkeiten dieser Art nicht von den Gerichten, sondern
von den Verwaltungsbehörden zu entscheiden seien.
Von der Erhebung des Kompetenzkonflikts wurden die Parteien benachrichtigt; ihre
Prozeßbevollmächtigten reichten Denkschriften ein. Der Anwalt der Kläger beantragte, zu
erkennen, daß die Gerichte zuständig seien, der Anwalt des Beklagten beantragte, die Ver-
waltungsbehörden für zuständig zu erklären; zur Begründung der Anträge wiederholten sie
ihre früheren Ausführungen.
Zur heutigen Verhandlung wurden die Parteien geladen, erschienen ist keine. Der
Berichterstatter hielt Vortrag über die bisherigen Verhandlungen und verlas dabei die wich-
tigeren Schriftstücke, insbesondere die Klageschrift, das Urteil des Amtsgerichts, die Er-
klärung der Kreisregierung und die Denkschriften. Der Generalstaatsanwalt stellte und be-
gründete darauf den Antrag, zu erkennen, daß der Rechtsweg zulässig ist.
Die Statthaftigkeit der Erhebung des Kompetenzkonflikts unterliegt keinem Bedenken,
weil der Rechtsstreit infolge der Berufung der Kläger bei dem Landgerichte Passau anhängig
ist und die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht durch ein rechtskräftiges Urteil des Gerichts
festgestellt ist.
Bei der Beantwortung der Frage, ob eine nach § 13 des Gerichtsverfassungsgesetzes
vor die ordentlichen Gerichte gehörende bürgerliche Rechtsstreitigkeit vorliegt, kommt es darauf
an, wie der geltend gemachte Anspruch in tatsächlicher Hinsicht begründet ist und ob die zu
seiner Begründung behaupteten Tatsachen an sich geeignet sind, einen dem Gebiete des
bürgerlichen Rechtes angehörenden Anspruch zu begründen. Die Kläger machen nach dem
in der Klageschrift enthaltenen und bei der mündlichen Verhandlung gestellten Antrage zwei
Ansprüche geltend, den Anspruch auf „Verurteilung des Beklagten zur Anerkennung"“ ihres
Besitzes an dem Teile des Grundstücks Pl.-Nr. 2014, der nach der vom Bezirksgeometer