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Regierungen geäußerte Ansicht sei unrichtig; denn die Postanstalt, welche die Berechtigung
des durch eine beglaubigte Quittung sich Ausweisenden nicht zu prüfen brauche, habe durch
die Auszahlung ihrer Verpflichtung genügt und habe über die Berechtigung eines weiteren
Zahlungsverlangens nicht zu entscheiden. Dies sei Sache der Versicherungsanstalt, die mit
ihrem Vermögen für die von der Postverwaltung vorschußweise bewirkte Auszahlung der
Rente hafte. Die Möglichkeit einer Beschwerde an das Reichsversicherungsamt oder an das
Landesversicherungsamt sei in der Reichstagskommission mit Recht nicht in Erwägung gezogen
worden; das Gesetz biete hiezu keine Handhabe; den mit der Rentenfestsetzung betrauten Ver-
sicherungsbehörden sei eine fast richterliche Unabhängigkeit eingeräunmt. Für die beklagte
Partei beantragte der Rechtsanwalt Justizrat Weigl die Zurückweisung der Berufung.
In einem Schreiben vom 18. März erklärte die Regierung, Kammer des Innern,
von Schwaben und Neuburg, daß sie den Rechtsweg für unzulässig erachte. Der Anspruch
eines Invalidenrentners auf Invalidenrente gegenüber einer Versicherungsanstalt sei öffentlich-
rechtlicher Natur und bleibe dies in allen Abschnitten der bei der Geltendmachung des
Anspruchs sich ergebenden Streitigkeiten. Für Ansprüche öffentlichrechtlicher Natur seien die
ordentlichen Gerichte nur dann zuständig, wenn dies ausdrücklich bestimmt ist. Eine solche
Bestimmung sehe das Invalidenversicherungsgesetz nicht vor. Die öffentlichrechtliche Natur
des Anspruchs auf Invalidenrente werde weder dadurch geändert, daß es sich nicht mehr
um die Feststellung der Invalidenrente, sondern um einen Streit über die Auszahlung einer
rechtskräftig zuerkannten Invalidenrente handelt, noch auch dadurch, daß nur die bei der
Einforderung der Invalidenrente entstandenen Kosten im Streite befangen sind. Das Land-
gericht Augsburg verständigte die Parteien mittelst eines den beiden Parteivertretern am
22. März 1911 zugestellten Beschlusses von der Erhebung des Kompetenzkonfliktes, unterließ
jedoch nach dem Ablaufe der für die Einreichung von Denkschriften vom Gesetze bestimmten
einmonatigen Frist die Einsendung der Akten an den Staatsanwalt beim Gerichtshofe für
Kompetenzkonflikte Am 1. Februar 1912 gelangte an den Gerichtshof für Kompetenz=
konflikte eine Denkschrift des Rechtsanwalts Justizrats Weigl von Augsburg, worauf die
Gerichtsschreiberei des Obersten Landesgerichts die Akten von der Gerichtsschreiberei des
Landgerichts Augsburg einforderte. In der Denkschrift ist ausgeführt: Das Recht des
Invalidenrentners auf Auszahlung der ihm zugesprochenen Rente sei ebenso öffentlichrechtlicher
Natur wie die Verpflichtung der Postverwaltung zur Rentenzahlung und wie die Verpflichtung
der Versicherungsanstalt, die Mittel für die Rentenzahlungen bereit zu stellen und für die
Rentenzahlungen aufzukommen. Der Gerichtshof für Kompetenzkonflikte habe in dem Er-
kenntnisse vom 31. Mai 1910 den allgemein gültigen Grundsatz ausgesprochen, daß, wer
auf Grund eines Rechtssatzes des öffentlichen Rechtes eine Leistung zu machen habe und
dieser Verpflichtung nicht nachkomme, bei der Behörde zu belangen sei, die über öffentlich-