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1.) In Nichtigkeitsfällen dienen die Landesgesetze, und, wo diese nicht ausreichen, die
Grundsätze des gemeinen Zechts zur Richtschnur.
2.) In Scheidungsfällen ist sich nach den Grundsäßen des Rechts der Kirche, zu wel-
cher der Beklagke gehört und also, wenn Beklagter dem karholischen Glaubensbe-
kennenisse zugethan ist, nach dem canonischen Reche zu richten. Es gilt aber, wenn
diesemnach beständige Scheidung vom Tisch und Bette erkannt wird, dieselbe für
den klagenden evangelischen Theil wie eine Scheidung vom Bande, und eine er-
kannte Scheidung der letztern Art für den klagenden katholischen Theil nur wie be-
ständige Scheidung vom Tisch und Bette. Jenes und dieses ist in den Urtheln
augzudrücken.
6. 58. Lehnen die Geistlichen (G. 55.) in Fällen, wo nach den Grundsätzen der
andern Kirche zu entscheiden ist, ihre Theilnahme ab, oder fuspendiren sie ihr Votum, so
thut dieß der Gültigkeit des gefaßten Beschlusses oder ertheilten Erkennenisses keinen
Eintrag.
6. 59. Gegen Erkennrnisse und Resolutionen in Ehesachen, finder eine einmalige, und
wenn die Entscheidung reformatorisch ist, (vergl. §. 18. und 32. des Gesetzes über die hö-
hern Justizbehörden) eine nochmalige Appellation, oder, wenn ein Justificationsverfahren
vorhergegangen, eine Leuterung beim Oberappellationsgericht statt.
§. 60. Dasselbe gilt in Ansehung der H. 54. erträhnten Streitigkeiten.
9. 61. In den schönburgischen Receßherrschaften gehören, bis auf weitere Anord-
nung, Ehesachen vor die Gesammrregierung zu Glaucha. Hiernächst bleiben diesenigen Un-
tergerichte in der Oberlausitz, vor welchen bisher Ehesachen verhandele wurden, Ehegerichte.
Won jener Regierung und von diesen Gerichten gilt Alles, was 99. 54. 56. rück-
sichtlich der Appellationsgerichte bestimmt ist, auch, was 99. 55. und 5 S. enthalten, von
der Regierung zu Glaucha. Insonderheit haben sie in Appellarionsfällen (99. 59. 60.)
unmittelbar ans Oberappellationsgericht zu berichten.
§. 62. Sind beide Ehegarken dem katholischen Glaubensbekennenisse zugerhan, so ist
rücksichtlich der Ehesachen derselben (§.5 5. flg.) in den Kreislanden das katholische Conststo=
rium zu Dresden und in der Oberlausitz das Consistorium des Domstifts St. Petri zu
Budissin die erste, das Vicariaksgericht zu Dresden die zweite Instanz.
Wenn die Entscheidung in erster Instanz in Folge des dagegen eingewenderen Rechrtsmietels
in zweiter Instanz abgeändert worden ist, (9. 18. des Gesetzes über die höhern Justiz=
behörden rc.) so findet eine nochmalige Appellation, oder, wenn ein Jufstificationsverfahren
vorhergegangen, eine Leuterung statt.
Nur über Niichtigkeitsbeschwerden gegen Urthel des Vicariaksgerichts kann das Ober-
appellationsgericht erkennen. (§. 20. 21. des Gesetzes über die höhern Justizbehörden.)