Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1838. (4)

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wo dieselben nach ihren persoͤnlichen Verhaͤltnissen weder der Flucht verdaͤchtig waren, noch 
von ihnen eine Collusion mit andern Personen zu Erschwerung oder Vereitelung der Un—- 
tersuchung zu befürchten stand, während der ganzen Dauer des Processes, oder doch län- 
ger, als nothwendig gewesen, in gefänglicher Haft zurückbehalten worden sind. Nun muß 
zwar dem pflichtmäsigen Ermessen des Untersuchungsrichrers überlassen bleiben, ob er bei 
dem eines Verbrechens Angeschuldigten nach den vorliegenden besondern Umständen die Ver- 
baftung überhaupt und auf wie lange nothwendig findet; es ist aber im Allgemeinen so- 
wohl zu Abwendung der für den Angeschuldigeen mit der gefänglichen Hafe verbundenen, 
zuweilen mit der zuerkennenden Strafe in gar keinem Verhälenisse stehenden Nachtheile, 
als auch zur Verminderung der aus solchen Verhaftungen erwachsenden Unkosten, welche 
im Fall des Unvermögens des Angeschuldigten dem Scaatsfiscus, den Gerichtsobrigkeiten, 
oder den zu Uebertragung der Kosten verpflichkeken Gerichrsuncerrthanen zur tast fallen, die 
Untersuchungshaft, soweit dieses der oben angedeuteke doppelte Zweck, die Collusion und 
Beseitigung der Spuren des Verbrechens zu vermeiden, und die Flucht zu verhindern, 
nur irgend gestattet, möglichst zu beschränken und abzukürzen. 
Es haben daher die Untersuchungsrichter in jedem vorkommenden Falle in genaue 
Erwägung zu ziehen, ob aus den vorerwähnten Rücksichten, oder wegen andrer beson- 
drer Verhältnisse die Enthaleung des Angeschuldigten in gefänglicher Hafe sich als norh- 
wendig darstelltr, und wenn dieses nicht der Fall ist, die Angeschuldigren entweder gar 
nicht in gefängliche Haft zu nehmen, oder sse daraus möglichst bald wieder zu entlassen. 
Die Appellationsgerichte werden zugleich angewiesen, darauf, daß dieser Anordnung 
nachgegangen werde, in den einzelnen, zu ihrer Kenntniß gelangenden Untersuchungs- 
fällen gehörige Obsicht zu führen. 
Bei der Entlassung gegen Handgelöbniß haben übrigens die Richeer mie der bei 
der Abnahme desselben gesetzlich vorgeschriebenen Verwarnung eine angemessene Bedeu- 
tung der Angeschuldigren über die bei der Verletzung der übernommenen Verbindlich- 
keiten zu gewartende Strafe zu verbinden. Auch bleibt es dem Untersuchungsrichter vor- 
behalten, dann, wenn der Angeschuldigte am Orte des Geriches sich niche aufhäle, die 
Gestattung einer zeitlichen Entfernung des Angeschuldigten dem Ortsrichter im Wohn- 
orte desselben zu überlassen. 
Dresden, den Aten April 1838. 
Ministerium der Justiz. 
v. Koenneritz. 
Flckelscherer. 
  
Letzte Absendung: am 20fsten April 1838.
	        
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