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III. Verfahren vor der Anklagekammer.
§ 18. Bei jedem Bezirksappellationsgerichte wird eine Anklagekammer gebildet.
Sie muß, bei Strafe der Nichtigkeit, mindestens aus 3 Mitgliedern des Gerichts (Räthen
oder Assessoren) bestehen.
& 19. Die Anklagekammer entscheidet:
1) über Appellationen oder Beschwerden, die gegen das Verfahren des Richters in der
Voruntersuchung vom Staatsanwalte oder vom Angeschuldigten oder von anderen
Betheiligten, z. B. Zeugen, eingewendet und bezüglich erhoben werden, und
2) nach beendigter Voruntersuchung, sofern sie nicht etwa deren Vervollstän-
digung zu verfügen für nöthig erachtet, auf Grund der ergangenen Acten über die
Fragen
a) ob überhaupt eine strafbare Handlung vorliege,
b) ob das Verbrechen, dessen der Angeschuldigte bezüchtigt ist, vorliege,
) ob und welchen Verbrechens halber der letztere in Anklagezustand zu versetzen sei,
endlich
d) welche Zeugen oder andere Beweismittel, die von dem einen oder dem andern Theile
angegeben worden, zur Hauptuntersuchung mit vorgeladen oder bezüglich beschafft
werden sollen.
Wider die Entscheidung der Anklagekammer findet ein Rechtsmittel nicht Statt, es steht
dem Angeklagten aber frei, die von der Anklagekammer ihm aberkannten Zeugen oder son-
stigen Beweismittel auf eigne Kosten zur Hauptuntersuchung herbeizuschaffen.
§ 20. Die Entscheidung der Anklagekammer ist dem Staatsanwalte, wie dem Ange-
klagten, von dem Untersuchungsrichter, an welchen sie deshalb zu senden, ohne Verzug be-
kannt zu machen, und wenn auf den Anklagestand erkannt ist, über die erfolgte Bekannt-
machung durch Einsendung der auf die Entscheidung selbst gebrachten Eröffnungsregistratur
oder durch sonstigen sichern Nachweis hierüber der Anklagekammer schleunigst Nachricht zu
ertheilen, von der Anklagekammer aber die Entscheidung selbst mit den Untersuchungsacten
an die Criminalbehörde (s. § 22) mittelst einfacher Ueberreichungsnotiz abzugeben.
#J 21. Gründet die Anklagekammer ein freisprechendes Erkenntniß auf unbeschworne
Zeugenaussagen, so kann dasselbe von der Voraussetzung abhängig gemacht werden, daß die
betreffenden Zeugen ihre Aussage noch eidlich bestärken.
In diesem Falle hat der Untersuchungsrichter die Vereidung der in Rede stehenden Zeu-
gen noch vor Bekanntmachung des Erkenntnisses vorzunehmen. Aendert dabei ein Zeuge
seine frühere Aussage in einem wesentlichen Puncte ab, oder setzt er derselben etwas Erheb-
liches zu, so sind die Acten vorerst der Anklagekammer anderweit vorzulegen, damit diese sich
darüber entschließen kann, ob es bei der gegebenen Entscheidung bewenden solle, oder ein
neues Erkenntniß zu fällen sei.
Versetzung in
Anklagestand.