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Niemandem in ihrer Mitte ungeahndet entgegengehandelt werde und so der Wille des Einzel-
nen sich trenne von dem Willen der Gesammtheit.
Darum stört jede Gesetzübertretung den zum Bestehen der bürgerlichen Gesellschaft nöthi-
gen Einklang und diesen wieder herzustellen, wo er gestört ist, gegen die Störung, ihre recht-
lichen Folgen, die Strafe, herbeizuführen: das ist der Beruf der Staatsanwaltschaft.
Aber darin liegt auch zugleich die Grenze ihrer Aufgabe. Indem sie, die Staatsanwalt-
schaft, nur dazu bestimmt ist, um gegen die Uebertreter des Gesetzes einzuschreiten, hat sie
nicht allein sich nicht einzumischen in die Handlungen der Bürger, die keine Verletzung des
Gesetzes enthalten, sondern sie hat sogar, weil auch die Verfolgung gesetzlich Schuldloser den
Rechts= und Friedenszustand der Staatsgesellschaft stört und daher gegen den Willen der Letz-
teren verstößt, mit gleicher Gewissenhaftigkeit der Unschuld zu ihrem Rechte zu verhelfen und
den dahin führenden Weg nicht zu versperren. Die Erforschung der wirklichen (materiellen)
Wahrheit muß und soll ihr Ziel sein. Das Auge fest auf dieses Ziel gerichtet, wird sie
dem Strafbaren ein strenger Gegner, dem Unschuldigen eine verlässige Stütze, der bürgerli-
chen Gesellschaft ein treuer Wächter sein.
Anlangend
A.
die Beziehung der Mitglieder der Staatsanwaltschaft
a) zu dem Justizministerio, als der über die Rechtspflege Oberaufsicht führenden Be—
hörde, so ist in den §§ 3 und 4 des Gesetzes vom 18ten November 1848 ihre Stellung
in der fraglichen Hinsicht hinreichend angedeutet. Ueber etwaige Zweifel, die hierüber ent—
stehen möchten, wird in den einzelnen Fällen besondere Entscheidung ergehen.
Was
b) das Verhältniß der Mitglieder der Staatsanwaltschaft unter einander betrifft, so ste—
hen sämmtliche Staatsanwälte unter sich in einem communieatorischen, gegen den Ober-
Staatsanwalt aber im Verhältnisse der Unterordnung. An diesen haben sie, was die Un-
tersuchungen wegen Preßvergehen und die andern nach dem Gesetze vom 1 Sten November
1 848 zu beurtheilenden Vergehen anlangt, vor Beantragung einer Untersuchung — mit
Ausnahme der Fälle, wo Gefahr im Verzuge ist, — ingleichen vor Rücknahme des bereits
gestellten Antrags, Bericht zu erstatten und dessen Anordnungen nachzugehen.
Der Ober-Staatsanwalt kann in Behinderungsfällen des einen Staatsanwalts den Staats-
anwalt des andern Bezirks zur Theilnahme an der Hauptuntersuchung beauftragen, auch die
Stelle des Einen oder des Andern selbst vertreten. Ueberhaupt ist bei Beurtheilung der
Stellung der Staatsanwälte der Grundsatz festzuhalten, daß sie in ihrem Wirkungskreise, so-
weit er die äußere Verwaltung des Amts betrifft, die Substituten des Ober Staatsanwalts
sind.