Object: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

784 Stempelsteuer. 
Was zunächst die sog. Gebühren betrifft, so versteht man darunter finanz- 
wissenschaftlich solche Abgaben, welche von den Einzelnen als Entgelt eines ihnen 
staatsseitig geleisteten besonderen Dienstes oder einer zu ihren Gunsten geschehenen 
staatlichen Aufwendung erhoben werden, zum Zwecke, die Betriebskosten der frag- 
lichen Verwaltungszweige ganz oder theilweise zu decken. Es gehören zu den Ge- 
bühren in diesem Sinne einerseits Eingaben und Amtsschreiben in Sachen Einzelner, 
insbesondere auch in Civilstreitigkeiten, die Ausstellung von Pässen, Legitimations- 
papieren aller Art, die Einschreibungen der Civilstandsämter, die Erfindungspatente, 
die Patente für Adel und Orden; es gehören dahin aber auch andererseits die 
Post= und Telegraphengebühren, die Eichgebühren, die Schulgelder, die Prüfungs- 
gebühren. Der Gebührenstempel wird aber keineswegs im ganzen Umfange des 
Gebührenwesens in Anwendung gebracht; in einigen Beziehungen ist derselbe neuer- 
dings beschränkt (Gerichtskosten), in anderen ausgedehnt (Post= und Telegraphen- 
marken). Andererseits kommt aber der Stempel auch als eigentlicher Steuerstempel 
vor, namentlich in solchen Fällen, wo es sich um Uebertragung eines beweglichen 
oder unbeweglichen Gegenstandes im privatrechtlichen Vermögensverkehr handelt; es 
gehört dahin insbesondere der Stempel bei Verträgen über Immobilien (der übrigens 
zum Theil auch den Charakter einer Steuer trägt), der Spielkarten-, Kalender-, 
Zeitungs-, Wechsel= und Erbschaftsstempel, auch der Stempel von Privatquittungen, 
z. B. bei Rechnungen. 
In Preußen ist die Entwickelung in großen Zügen folgende gewesen. Die 
Preußische Stempelgesetzgebung beruht noch heute im Wesentlichen auf dem Gesetze 
wegen der S. vom 7. März 1822 und auf dem diesem Gesetze beigefügten alpha- 
betisch geordneten Tarife. Diese Gesetzgebung erstreckte sich ganz allgemein auf alle 
Arten von Abgaben, welche in Stempelform erhoben werden, sowol auf den Gebühren- 
als auch auf den eigentlichen Steuerstempel. Es wurde nun zunächst durch das 
Gesetz vom 10. Mai 1851, ergänzt durch das Gesetz vom 9. Mai 1854, die Er- 
hebung der Gerichtskosten in der Weise, daß die Stempelform dabei nicht mehr zur 
Anwendung kommt, neu regulirt. Es wurde ferner die Erhebung der S. von 
Zeitungen, Zeitschriften und Anzeigeblättern, sowol einheimischen als auch aus- 
ländischen, durch die Gesetze vom 29. Mai 1861 und 26. Septbr. 1862 anderweit 
geordnet. Die Verwendung von Stempelbogen durch die Befestigung von Stempel- 
marken auf dem steuerpflichtigen Schriftstücke wurde endlich durch das Gesetz vom 
2. Septbr. 1862 eingeführt. 
Diese Altpreußische Gesetzgebung ist dann auf die neuen Landestheile nicht 
einfach übertragen worden. Es kam zwar damals im Wesentlichen nur auf die 
Herstellung einer gewissen Gleichmäßigkeit zwischen den alten und neuen Landes- 
theilen und den neuen Landestheilen unter einander an. Indessen ist doch eine 
Aenderung in materieller Hinsicht gegenüber dem bisherigen Preußischen Rechts- 
zustande insofern erfolgt, als einerseits die S. auf Zeitungen, Kalender, Spielkarten 
und Erbschaften aus der bisherigen engen Verbindung mit der übrigen S. gelöst 
und andererseits die Erbschaftssteuer in mehrfacher Beziehung neu regulirt wurde. Was 
das Einzelne betrifft, so wurde zunächst durch vier Verordnungen vom 4. und 5. 
Juli 1867 die Erhebung der S. von Spielkarten, die Erhebung der Zeitungs-S., 
die Einrichtung der S. von Kalendern und die Erhebung der Erbschaftsabgabe 
geregelt. Das sonstige Stempelwesen, insbesondere die Erhebung des Urkunden- 
stempels, wurde für Hannover, Kurhessen, Nassau und die bayerischen Gebietstheile 
durch die Verordnung vom 19. Juli 1867 unter Aufrechthaltung der bisherigen 
Landesgesetze in weitem Umfange, und erst durch die Gesetze vom 5. März 1868 
für Hessen-Nassau (mit Ausnahme von Frankfurt a. M.) und vom 24. Febr. 1869 
für Hannover nach durchweg neuen Grundsätzen geregelt. Die Normirung der S. 
für Schleswig-Holstein erfolgte durch die Verordnung vom 7. Aug. 1867, für die 
 
	        
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