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Achtes Capitel.
Von Verletzung der Ehrerbietung gegen die Religion und einigen verwandten
Verbrechen.
Art. 221.
Meineid.
Wer vor einer öffentlichen Behörde in eigenen oder fremden Angelegenheiten eine
Aussage, von der er weiß oder überzeugt ist, daß sie unwahr sei, eidlich erstattet, wird
wegen Meineides mit Arbeitshaus oder Zuchthaus bis zu zwei Jahren, und wenn die
wahrheitswidrige Aussage in einem Zeugnisse zu Ungunsten eines Anderen besteht, mit
Arbeitshaus von acht Monaten bis zu vier Jahren oder Zuchthaus bis zu vier Jahren
bestraft. Zu den Aussagen im Sinne dieses Artikels sind auch die Aussprüche der Sach-
verständigen zu rechnen.
Als eine eidliche Aussage ist diejenige zu betrachten, welche mittels Eides bekräftigt,
oder unter Beziehung oder Verweisung auf einen bereits geleisteten Eid, wenn dieß auch
nur ein allgemeiner Dienst= oder Verpflichtungseid ist, erstattet wird.
Art. 222.
Erschwerungsgrund.
Ist ein Meineid in der Absicht geleistet worden, sich oder Anderen einen rechtswidrigen
Vermögensvortheil zu verschaffen, so ist nicht unter einem Jahre Arbeitshaus zu erkennen,
und kann die Strafe mit Hinsicht auf die Größe des beabsichtigten oder erlangten Vor-
theils bis auf sechs Jahre Zuchthaus gesteigert werden.
Art. 223.
Fernere Erschwerungsgründe.
Ist in einer Untersuchung über ein Verbrechen meineidig geschworen worden, um
einen Unschuldigen in Strafe, oder einen Schuldigen in eine schwerere Strafe, als er ver-
wirkt hat, zu bringen, so tritt Arbeitshaus= oder Zuchthausstrafe von einem bis zu acht
Jahren ein.
Ist die Absicht erreicht, und in Folge des Meineides eine gänzlich oder theilweise un-
verdiente Strafe an Jemandem vollstreckt worden, so kann die nach dem ersten Absatze
dieses Artikels verwirkte Strafe bis auf den Betrag der unverdient vollstreckten Strafe
erhöht werden.
Ist in Folge des Meineides die Todesstrafe vollstreckt oder dieser Erfolg bei der
Leistung des Meineides beabsichtigt worden, so ist wegen der dadurch zugleich begangenen
oder versuchten Tödtung dem Art. 77 nachzugehen.