Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1855. (21)

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Art. 268. 
Verhör des Angeklagten. 
Der Vorsitzende kann den Angeklagten vor Eröffnung der Hauptverhandlung befragen, 
ob er in Betreff seiner zeitherigen Aussagen noch etwas zu bemerken habe, sowie, nach 
Befinden, ihn über das Verweisungserkenntniß belehren. Er kann zu diesem Behufe den 
Angeklagten auf einen besonderen Tag vorladen. 
Der Vorsitzende hat, eintretenden Falls, über diese Befragung ein Protocoll aufzu— 
nehmen oder durch einen Protocollführer aufnehmen zu lassen. 
Dem Staatsanwalte und dem Vertheidiger ist eine Abschrift des Protocolls zuzu— 
stellen. 
Art. 269. 
Neue Thatsachen und Beweismittel. 
Erhält der Vorsitzende von neuen Thatsachen oder Beweismitteln Kenntniß, welche 
auf die Entscheidung einen Einfluß gewinnen können, so kann er durch den Untersuchungs— 
richter oder durch ein anderes Mitglied des Gerichts oder durch das Gericht des Wohnorts 
des Zeugen oder Sachverständigen diese Thatsachen erörtern, sowie die Beweismittel er— 
heben und beziehendlich herbeischaffen lassen. 
Die Aussagen der solchenfalls befragten Zeugen und Sachverständigen sind zu den 
Untersuchungsacten zu nehmen und können, ebenso wie etwa herbeigeschaffte Beweismittel, 
an Gerichtsstelle von dem Vertheidiger und dem Staatsanwalte, welche zu diesem Behufe 
hiervon zu benachrichtigen sind, eingesehen werden. 
Insoweit die Vorladung dieser Zeugen und Sachverständigen nicht ohnedieß schon in 
Gemäßheit des Art. 262 in Verbindung mit Art. 260, 261, 265 beantragt und be— 
schlossen worden ist, hat der Vorsitzende zu ermessen, ob und inwieweit dieselben zur Haupt— 
verhandlung mit vorzuladen sind, und demgemäß das Nöthige zu verfügen. Wird die 
Vorladung beschlossen, so ist hiervon alsbald der Staatsanwalt und der Angeklagte in 
Kenntniß zu setzen. 
Findet aber der Vorsitzende die Ergebnisse der neuen Erörterungen in Bezug auf das 
Verweisungserkenntniß so wichtig, daß eine weitere Entschließung darüber, ob es bei dem— 
selben sein Verbleiben haben könne, als nöthig erscheint, so hat er (vergl. noch Art. 266 
vorl. Abs.) das Bezirksgericht und, wenn in Folge eingewendeter Berufung oder Nichtig— 
keitsbeschwerde (Art. 241, 248) das Oberappellationsgericht die Verweisung ausgespro— 
chen hatte, dieses davon in Kenntniß zu setzen. Jenes, sowie dieses hat hierauf nach vor- 
gängigem Gehör der Staatsanwaltschaft über die Eröffnung der Hauptverhandlung zu 
entscheiden und ist, geeigneten Falls, befugt, das Verweisungserkenntniß zurückzuziehen und 
anderweit nach Maaßgabe der Art. 233, 241 und beziehendlich 254 zu entscheiven. 
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