Object: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

224 Ergebnisse. 1855 
überlassen. Dazu kam in England ein Ministerwechsel, 
welcher an die Stelle des sanften Lord Aberdeen den kriegs- 
eifrigen Palmerston brachte, so daß bald die englischen Be- 
gehren sich noch schärfer als die französischen accentuirten, 
Graf Buol aber für Osterreichs Zurückhaltung keinen andern 
Vorwand als stete Klagen über Preußens heillose Freund- 
schaft mit Rußland zu finden wußte. In diese unerquicklichen 
Zänkereien fiel dann die Nachricht aus Petersburg, daß 
Kaiser Nikolaus einer vernachlässigten und dann zur Lungen- 
entzündung entwickelten Grippe am 2. März erlegen sei. 
Sein einst so glorreiches Leben hatte in düsterem Nieder- 
gange geendet. Seine mächtige Körperkraft, durch langes 
Siechthum ermattet, war endlich in den furchtbaren Gemüths- 
bewegungen des letzten Jahres zusammengebrochen. Herab- 
gestürzt aus der Europa beherrschenden Stellung, hatte er 
die Mißgriffe seines Größenwahns von aller Welt verurtheilt, 
sein Riesenreich in wachsende Wehrlosigkeit versunken, sein 
Heer durch colossalen Menschenverlust geschwächt, seine Flotte 
halb vernichtet, seine Finanzen tief zerrüttet gesehen. Nur 
um so fester aber hatte er bis zum letzten Athemzuge an der 
Rolle festgehalten, in welcher er sich sein Leben lang der 
Welt gezeigt hatte. Wie er ohne selbstsüchtige Pläne 1828 
nur zum Schutze der christlichen Griechen das Schwert ge- 
zogen, wie er 1848 in gleichem Sinne der Gottlosigkeit der 
Revolution entgegen getreten, so verkündete auch ein wenige 
Tagc vor seinem Tode erlassenes Manifest, daß er in völliger 
Uneigennützigkeit, nur zur Befreiung der orthodoxen Kirche, 
den Kampf eröffnet habe. Gewiß, es war nicht Heuchelei, 
die ihm, der zugleich politischer und kirchlicher Autokrat war, 
solche Worte lieh. Wenn bei glücklicher Lösung so heiliger
	        
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