Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1868. (34)

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Insonderheit hat er auch, wenn das Verweisungserkenntniß auf die Anschuldigung mehrerer 
Verbrechen gerichtet ist, zu bestimmen, ob die mehreren Auschuldigungen gleichzeitig oder in 
welcher Reihenfolge sie verhandelt werden sollen. 
Nicht minder bestimmt er bei mehreren Angeklagten die Reihenfolge, in der sie vernommen 
werden. 
Er ist verpflichtet, nach allen Kräften die Wahrheit, es sei zum Nachtheile oder zum Vor- 
theile des Angeklagten, zu erforschen. Er kann zu diesem Zwecke auch von solchen Beweis— 
mitteln, die erst in der Hauptverhandlung sich ihm darbieten, Gebrauch machen. 
Insbesondere kann er einzelne, nicht vorgeladene Personen, von denen nach dem Gange, 
welchen die Verhandlung genommen hat, noch Aufklärung zu erwarten ist, zur Befragung 
sogleich vorladen und nöthigenfalls vorführen lassen. War der Abgehörte zwar früher schon 
befragt, jedoch nicht vereidet worden, so hat das Gericht nach erfolgter Befragung desselben, 
und nach vorgängigem Gehöre des Staatsanwalts und des Vertheidigers, zu ermessen, ob 
ein solcher Zeuge zu vereiden sei. Im Falle der Vereidung ist die Formel unter II, B im 
Anhange anzuwenden. Die Bestimmungen in Art. 212, 213, 224, Abs. 2, 3, Art. 225, 
Art. 226 Schlußs. und Art. 227 gelten jedoch hier ebenfalls. 
Auch ist der Vorsitzende befugt, die Beibringung von Acten, Urkunden und sonstigen 
Beweisstücken anzuordnen, sobald diese ihm geeignet erscheinen, über eine erhebliche Thatsache 
Aufklärung zu geben. Ferner kann er mit dem Gerichte Beaugenscheinigung vornehmen, sowie 
nach Befinden, auch alle anderen, dem Untersuchungsrichter gestatteten Mittel zur Erforschung 
der Wahrheit anwenden, oder hierzu ein oder mehrere Mitglieder des Gerichts abordnen, 
welche sodann in der Sitzung Bericht zu erstatten haben. Wird eine Besichtigung vorgenom- 
men, so kann ihr der Staatsanwalt und der Privatankläger, sowie der Angeschuldigte bei- 
wohnen. 
Der Vorsitzende kann die Leitung des Verfahrens auch einem der übrigen Richter über- 
tragen, auf welchen sodann sämmtliche Befugnisse und Verpflichtungen des Vorsitzenden über- 
gehen. (Vergl. noch Art. 66, Abs. 3.) 
Art. 278. 
Anträge der Betheiligten. 
Wird ein Antrag auf Vornahme einer gerichtlichen Handlung gestellt, oder einer solchen 
widersprochen, so faßt hierauf zunächst der Vorsitzende Entschließung. Es kann jedoch der- 
jenige, welcher durch die Entschließung sich verletzt glaubt, eine Entscheidung des Gerichts ver- 
langen. 
Der Vorsitzende nimmt an der Berathung und Entscheidung des Gerichts auch in diesen 
Fällen Theil.
	        
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