Das Friedens- und Waffenstillstandsangebot und die Revolution von oben 569
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unserer Feinde verschlechtert hat, aber wir haben wenig davon gemerkt, daß das den
Krieg beeinflußt hat. Wird das jetzt so viel anders sein? Wird dabei berücksichtigt,
daß für uns die flandrische Küste wegfällt, daß Österreich jetzt zum Frieden kommt, und
wir damit die U.Bootsbasis im Mittelmeer verlieren? Kann die Steigerung der
U-.Bootserzeugung das ausgleichen?
Admiral Scheer: Der Ausfall der beiden U-Bootsbasen in Flandern und im
Mittelmeer hat auf unseren U-Bootkrieg nach meiner Auffassung und der meiner
Mitarbeiter keinen Einfluß. Im Gegenteil, je mehr wir uns auf die Umgebung der
Britischen Inseln konzentrieren, desto wirksamer ist der Krieg. Bisher haben wir, wenn
auch nur unter großen Anstrengungen, die Fahrt nach England offen gehalten.
Ich kann freilich nicht sagen, in der und der Zeit ist der Gegner zusammen-
gebrochen. Es kommt darauf an, die Wirkungen, die schon vorliegen, zu verstärken
und den Gegner dauernd unter Druck zu halten, dann wird sich die politische Wirkung
schon bemerkbar machen.
Graf Roedern: Man hat der Marineleitung, gewiß mißverständlich, nachgesagt,
daß sie bestimmte Zusagen wegen der Wirkung des U-Bootkrieges gemacht habe, aber
eine Zusage ist sicher gemacht worden, nämlich darüber, daß man die Zufuhr ameri-
kanischer Truppen verhindern könne. Gerade diese Zusage ist nicht gehalten worden.
Der damalige Staatessekretär des Reichsmarineamts beantwortete die Frage danach
ungefähr dahin: die amerikanischen Truppen sollen nur kommen, sie bilden will-
kommene Angriffspunkte für uns. Das hat sich doch als durchaus irrtümlich erwiesen.
Sind dann die Einwirkungen auf die englische Wirtschaft noch so hoch zu be-
werten? Sobald die Amerikaner sich entschließen statt 250 000 Mann nur noch 150 000
monatlich zu schicken, wird die Versorgung Englands erheblich erleichtert. Es muß
da eine Fehlerquelle liegen. Liegt sie vielleicht darin, daß das Tempo des ameri-
kanischen Schiffsbaus unterschätzt worden ist?
Admiral Scheer: Ich kenne die Erklärung des Staatssekretärs nur aus den
Zeitungen. Ich weiß nur, daß er die amerikanischen Truppen nicht hoch eingeschätzt
hat, wahrscheinlich, weil er ihre Unterhaltung auf französischem Boden für schwierig
ansah. Man kann die U-Boote nicht nur auf Transportschiffe ansetzen, sie müssen
ihre Torpedos da brauchen, wo sie den meisten Schiffsraum vernichten.
(Der Reichskanzler übergibt den Vorsitz an den Vizekanzler.)
PBizekonzler von Payer: Der Eindruck der militärischen Lage ist doch heute
wesentlich günstiger als zu Anfang des Monats. Liegen die Gründe dafür auf mili-
tärischem Gebiet?7
General Ludendorff: An der Front ist es der nicht gelungene Angriff des Feindes
von gestern und vorgestern. Der Feind hat nicht ordentlich angebissen. Hätte er
alles getan, was er konnte, so wären wir geschlagen worden. An dieser Stelle
hat sich die Kampfkraft der Entente nicht auf der Höhe gezeigt wie bisher.
Dazu kommt, daß die Amerikaner starke Grippe haben. Allerdings fängt sie
auch bei uns an zu grassieren, und zwar in einer sehr bösen Form. Unsere Truppe
ist müde, und der müde Mensch erliegt der Seuche leichter als der frische.
(Der Reichskanzler übernimmt den Vorsitz wieder.)
Der Reichskanzler: Die Lage ist also nicht mehr dieselbe, wie sie am 5. Oktober
war, als wir veranlaßt wurden, den Friedensschritt bei Wilson zu tun).
General Cudendorff: Ich habe den Eindruck, ehe wir durch diese Note Bedin-
gungen auf uns nehmen, die zu hart sind, müßten wir dem Feinde sagen: erkämpft
euch solche Bedingungen.
Der Reichskanzler: Und wenn er sie erkämpft hat, wird er uns dann nicht noch
schlechtere stellen?
*) Hier drückt sich das vollständige Verkennen der Lage seitens des Reichs-
kanzlers aus. Es handelte sich doch jetzt darum, ob das deutsche Volk den Endkampf
um Leben und Tod führen wollte. Ich ging deshalb auf seine Behauptung nicht ein,
sondern gleich auf den Kern der Frage. Der Verfasser.