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die Rechtskraft in Anspruch genommen werden kann, ist ja etwas ganz
Anderes; das ist der sacherledigende Ausspruch, der im Prozessver-
fahren erzeugt wird. Was für dieses Urteil gilt, lässt sich doch nicht
auf jenes übertragen ! Jene Denkoperation macht die Behörde nicht zum
Gericht und niemals hat das Recht daran gedacht, sie um ihrer selbstwillen
mit irgend welchen Fiktionen der Richtigkeit auszustatten! —
So wäre gar vieles anzuführen. Der Scharfsinn und die Geschicklich-
keit des Verfassers machen es nicht immer leicht, die Knoten, die er schlingt,
wieder zu lösen. Man könnte daran denken, jungen Juristen dergleichen
als Probearbeit aufzugeben. Es würde aber wohl meistens zu viel ver-
langt sein. 0. M.
Dr. Walter Jellinek, Der fehlerhafte Staatsakt und seine
Wirkungen, Eine verwaltungs- und prozessrechtliche Studie Tü-
bingen, J. C. B. Mohr, 1908, XII uw. 201 8.
Den Anlass zur vorliegenden Schrift gab, wie der Verfasser in der
Vorrede hervorhebt, ein Urteil des Reichsgerichtes über die Ausbeutung der
Rechtskraft gegen die guten Sitten und die Besprechung dieses Erkennt-
nisses durch LABAND in der deutschen Juristenzeitung 1906 S. 849 ff. Aus
einer Untersuchung über die privatrechtlichen Folgen erschlichener staat-
licher Machtäusserung habe sich dann die Arbeit zu einer systematischen
Darstellung des fehlerhaften Staatsaktes und seiner Wirkungen erweitert.
Die Aufgabe ist nach den Ausführungen der Einleitung als Beitrag zur
Konstruktion eines „allgemeinen Teils“ des öffentlichen Rechtes aufgefasst.
Die gewonnenen Sätze beanspruchen keine unbedingte, ausnahmslose Gel-
tung, sondern seien nachgiebigen Charakters und müssen daher nicht bloss
jeder ausdrücklichen Erklärung eines Einzelgesetzes, sondern auch jedem
„stärkeren Interpretationsmittel“ den Vorrang einräumen.
Das Buch versucht zunächst eine Einteilung der Aeusserungen der
Staatsgewalt, und zwar auf psychologischer Grundlage: Wahrnehmen,
Denken und Wollen seien die drei Funktionen, in denen der menschliche
Geist wirksam werde und in denen daher auch jedes Staatsorgan in die
Welt der Tatsachen und der rechtlichen Beziehungen eingreife. Hiebei ist
als Wille nur der „Wirkungswille“, nicht auch der „Erklärungswille“ ver-
standen, also nur der Wille auf Herbeiführung eines äusseren Erfolges.
Gemäss jenen drei Funktionen können auch alle Tätigkeiten des Staates,
soweit er nicht Subjekt des Völkerrechtes, des Privatrechtes und des Nor-
menfestsetzungsrechtes sei, kurz alle Akte der Justiz und der Verwaltung,
in drei Gruppen gegliedert werden: I. Entgegennahme von Erklärungen,
II. Urteile, III. Handlungen. Die Urteile werden in Feststellungsurteile und
Handlungsurteile geschieden, je nachdem ob sie ein Sein oder Seinsollen
konstatieren. Die Feststellungsurteile sind Tatsachen-, Zweckmässigkeits-