Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1870. (36)

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*29. Ein Todesurtheil ist nicht eher zu vollstrecken, als bis dem Untersuchungs- 
richter amtlich eröffnet worden ist, daß der König von seinem Begnadigungsrechte keinen 
Gebrauch gemacht habe. 
V. 
Die mildernden Umstände rc. betreffend. 
*30. Wenn das Gesetz die Anwendung eines geringeren, als des regelmäßigen Straf- 
satzes von dem Vorhandensein mildernder Umstände im Allgemeinen abhängig 
macht, so steht die Entscheidung hierüber in den bei Geschwornengerichten und in den- 
jenigen bei den Bezirksgerichten anhängigen Sachen, deren Aburtheilung unter Mitwirkung 
von Schöffen erfolgt, dem Gerichte zu. 
Dieß gilt auch von der Annahme eines minder schweren Falles in §§ 94, 96 des 
Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund. 
#31. Ausgenommen von der Bestimmung im § 30 ist der Fall des § 213 des 
Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund, wenn behauptet wird, daß der Todtschläger 
zum Zorne gereizt und auf der Stelle zur That hingerissen worden sei. Vielmehr 
leidet hier die Vorschrift im § 61 des Gesetzes, das Verfahren in den vor die Geschwornen- 
gerichte gewiesenen Untersuchungssachen betreffend, Anwendung. 
32. Steht ein Angeklagter, welcher zur Zeit der That das achtzehnte Altersjahr 
noch nicht vollendet hatte, oder ein Taubstummer vor dem Geschwornengerichte, so ist, 
bei Strafe der Nichtigkeit, den Geschwornen eine Frage dahin vorzulegen, ob er- 
wiesen sei, daß der Angeklagte bei Begehung der That die zur Erkenntniß ihrer Straf- 
barkeit erforderliche Einsicht besaß? (§§ 56, 58 des Strafgesetzbuchs für den Nord- 
deutschen Bund.) 
6#33. Im Falle des § 20 des Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund ist 
bei den Geschwornengerichten den Geschwornen auf Antrag des Staatsanwalts oder des 
Angeschuldigten, beziehendlich des Vertheidigers desselben, bei Strafe der Nichtigkeit eine 
Frage dahin vorzulegen, ob die betreffende strafbare Handlung aus einer ehrlosen Ge- 
sinnung entsprungen sei? 
* 34. Soweit nach §§ 32, 33 die Geschwornen zur Mitwirkung bei der Ab- 
urtheilung berufen sind, gilt dieß auch von der Mitwirkung der Schöffen in den unter 
ihrer Zuziehung zur Verhandlung gelangenden Strafsachen. 
1870. 60
	        
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