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Umgeänderte Hebammenordnung
vom 22. Juni 1892.
& 1. Jede Frauensperson, welche die Hebammenkunst in einer öffentlichen Lehr-
anstalt des Landes erlernen will, hat zuvor durch Zeugnisse nachzuweisen, daß sie die
dazu erforderliche Befähigung besitzt.
Diese Zeugnisse sind:
1. das Geburtszeugniß, zum Zwecke des Nachweises, daß die Bewerberin nicht
unter 21 und nicht über 35 Jahre alt ist;
2. das Schulzeugniß;
3. ein Befähigungszeugniß, ausgestellt vom Bezirksarzte (Physikus). Dieses
Zeugniß muß ausdrücklich enthalten, daß die Person einen gesunden, nicht schwäch-
lichen Körperbau hat und mit ungeschwächten Sinnen, gesunden, gehörig ge-
bildeten, nicht zu starken Händen ausgestattet und mit einem guten natürlichen
Verstande begabt ist; daß sie geläufig lesen und ein Diktat deutlich und ohne
grobe Verstöße gegen die Regeln der Rechtschreibung schreiben kann, daß sie im
Rechnen die im gewöhnlichen Leben erforderlichen Kenntnisse besitzt und mit den
gesetzlichen Maaßen und Gewichten genau vertraut ist;
4. ein Leumundszeugniß. Dasselbe ist auszustellen von der Ortspolizeibehörde
des Wohnortes — Stadtrath, Bürgermeister, Gemeindevorstand, Gutsvorsteher
— auf Grund vorherigen Einvernehmens mit dem Ortsgeistlichen, und hat sich
nicht auf die bloße Angabe zu beschränken, daß die betreffende Person einen
unbescholtenen Leumund genießt, sondern muß darauf lauten, daß die Inhaberin
eine zuverlässige und in ihrer Umgebung geachtete Person sei; es ist zu ver-
weigern, wenn es in dieser Form nicht ausgestellt werden kann.
Personen, welche außerehelich geboren haben, sind abzuweisen.
Ausnahmen sind nur zulässig nach sorgfältigster Erörterung der einschlagenden Ver-
hältnisse.
Die Ausstellung der beregten Zeugnisse und alle Vorerörterungen haben kostenfrei
zu erfolgen.
# 2. Frauen, welche die Hebammenkunst erlernen wollen, haben sich bei der
Direktion des betreffenden Lehrinstitutes mindestens zwei Monate vor Aufang der jedes-
mal am 1. Januar und 1. Juli beginnenden Lehrkurse, unter Beibringung der vor-