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§6. Sie hat innerhalb des ihr angewiesenen Bezirks zu wohnen, wenn nicht eine
Ausnahme von der zuständigen Obrigkeit im Einvernehmen mit dem Bezirksarzte ge-
nehmigt worden ist.
& VJ. Sie soll zu allen Stunden des Tages und der Nacht bereit sein, den
Schwangeren, Kreißenden, Wöchnerinnen und neugeborenen Kindern, die ihrer Dienste
bedürfen, ohne Zeitverlust zu Hülfe zu eilen. Sie soll sich daher in anderen, als
ihren Berufsgeschäften, ohne Vorwissen der Ortsbehörde, nie über Nacht von ihrem
Wohnorte entfernen, und wenn sich daselbst Hochschwangere befinden, auch am Tage nicht
ohne Noth vom Hause abwesend sein.
Bevor sie ihre Behausung verläßt, sorge sie dafür, daß jeder Fragende während
ihrer Abwesenheit erfahren kann, wo sie zu finden ist. Die Beistandleistung bei der Ge-
burt darf sie Niemandem abschlagen, weder Armen, noch Solchen, die mit ekelhaften oder
ansteckenden Krankheiten behaftet sind.
& Ueber alles, was ihr bei Ausübung ihres Berufes bekannt wird, soll die
Hebamme strenge Verschwiegenheit beobachten. Sie darf körperliche Gebrechen, Fehler
oder Krankheiten ihrer Pfleglinge nicht weiter bekannt machen, wenn nicht durch die Ver-
heimlichung Gefahr für die Gesundheit anderer Personen entsteht. Auch darf sie von
den häuslichen Verhältnissen ihrer Pflegebefohlenen Anderen Nichts hinterbringen.
§ 9.Spollten ihr aber versuchte Abtreibung der Leibesfrucht, Kindestödtung, gefähr-
liche Verletzung des Kindes oder andere dergleichen Verbrechen bekannt werden, so ist sie
verpflichtet, sofort der Obrigkeit des Ortes davon Anzeige zu machen.
§ 10. Wird sie zu einer Gebärenden verlangt, während sie bereits bei der Geburt
einer Anderen beschäftigt ist, so darf sie weder den Verlauf der vorliegenden Geburt be-
schleunigen, noch eher fortgehen, als bis die Nachgeburt entfernt und alle Gefahr einer
Nachblutung beseitigt ist. Sie hat vielmehr die zweite Gebärende an eine andere Heb-
amme zu verweisen, welche entweder nur einstweilen für sie eintritt, oder den Geburts-
fall ganz übernimmt, wenn die Betreffenden es wünschen. Niemals darf die Hebamme
zwei Geburten gleichzeitig zur Besorgung übernehmen. In dringenden Fällen, wo eine
andere Hebamme nicht schnell genug zu erlangen ist, soll sie dahin eilen, wo die Hülfe
ihr am nöthigsten erscheint.
Die Beistandsleistung bei Geburten geht allen anderen Obliegen-
heiten der Hebamme vor, also namentlich den Verrichtungen bei der Taufe, den
Besuchen einer Wöchnerin oder Kranken, dem Baden eines Neugeborenen.
A11. Wenn die Obrigkeit aufgefordert wird, den körperlichen Zustand einer für
schwanger Gehaltenen oder sich dafür Ausgebenden, oder die Annahme, daß eine Frauens-