Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1898. (64)

Fortsetzung. 
Verhältniß der 
Vertreter der 
Dienst- 
herrschaften. 
Folgen 
eigenmächtigen 
Austritts aus 
dem Dienste. 
Annahme 
eigenmächtig 
ausgetretenen 
Gesindes. 
— 126 — 
§ 93. Kann das Gesinde den vorigen Dienst wegen eines inzwischen erhaltenen 
anderen Unterkommens nicht wieder antreten, so findet die Vorschrift § 90 Anwendung. 
# 94. Allenthalben, wo in gegenwärtigem Gesetze über die gegenseitigen Verhält- 
nisse der Dienstherrschaften und Dienstboten während des Dienstes (§§ 30 bis 65) und 
über die Ursachen der Aufhebung des Dienstvertrags (§§ 67 bis 93) der Dienstherrschaft 
gedacht ist, gelten diese Vorschriften auch von denjenigen Personen, welche im Hauswesen, 
oder in der Wirthschaft, oder in einzelnen Theilen derselben die Stelle der Dienstherr= 
schaft vertreten, z. B. „Verwalter“, „Vögte“, „Schafmeister“, „Wirthschafterinnen", 
„Haushälterinnen“ 2c. (vergl. § 9), insofern nicht einzelne Bestimmungen der Natur der 
Sache nach ausschließlich auf die Person der Dienstherrschaften sich beziehen. 
# 95. Gesinde, welches vor Ablauf der Dienstzeit ohne gesetzmäßige Ursache den 
Dienst eigenmächtig verläßt, ist auf Antrag der Dienstherrschaft, nach deren Wahl, von 
der Polizeibehörde des Wohnortes der Dienstherrschaft zwangsweise in den Dienst zurück- 
zuführen, oder mit Geldstrafe bis zu 304 oder mit Haft bis zu acht Tagen zu bestrafen. 
Die Zurücknahme des Strafantrags ist zulässig. Der Antrag der Dienstherrschaft auf 
Zurückführung in den Dienst ist nur innerhalb einer Woche nach dem eigenmächtigen 
Austritte des Dienstboten aus dem letzteren statthaft. Vor der Entschließung über den 
Antrag auf Zurückführung in den Dienst ist der Dienstbote zu hören. 
Sowohl dann, wenn die Herrschaft einen der in Absatz 1 erwähnten Anträge stellt, 
als auch dann, wenn sie das unterläßt, ist das Gesinde verbunden, der Herrschaft, wenn 
diese infolge seines eigenmächtigen Austritts aus dem Dienste genöthigt gewesen ist, 
einen anderen Dienstboten zu miethen oder, in dessen Ermangelung, Lohnarbeiter an- 
zunehmen, den etwa erforderlich gewordenen Mehraufwand an Lohn zu erstatten. 
Die beschlossene Zurückführung in den Dienst kann in dringlichen Fällen durch ein 
dagegen erhobenes Rechtsmittel nicht aufgehalten werden. 
Die Kosten der zwangsweisen Zurückführung in den Dienst fallen dem schuldigen 
Gesinde zur Last. Der Antragsteller ist jedoch verbunden, diese Kosten verlagsweise für 
dasselbe zu entrichten. 
§ 96. Wer einen Dienstboten, von dem er weiß, oder bezüglich dessen er den Um- 
ständen nach annehmen mußte, daß er den Dienst ohne gesetzmäßige Ursache eigenmächtig 
verlassen habe, bevor sich der Antrag der Dienstherrschaft auf Zurückführung (8§ 95) er- 
ledigt hat, in Dienst oder Arbeit nimmt, ist mit Geldstrafe bis zu 100.4 zu bestrafen 
und außerdem zum Ersatze des der verlassenen Dienstherrschaft erwachsenen Schadens 
verpflichtet. 
Ingleichen ist zum Ersatze dieses Schadens verpflichtet, wer das Gesinde verleitet hat, 
den Dienst ohne gesetzmäßige Ursache zu verlassen.
	        
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