Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1900. (66)

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Er darf sich indessen nicht auf eine äußerliche Sichtung des Materials beschränken, 
sondern hat das letztere auch seinem Inhalte nach zu prüfen und für die künftige Ein— 
schätzung zu verwerthen. Insbesondere hat er sich unter Benutzung der ihm zur Verfüg— 
ung stehenden Hülfsmittel, nach Befinden aber unter Herbeiziehung weiterer Unterlagen 
gemäß § 31 Absatz 1 und 2 des Gesetzes vorläufig schon ein Bild darüber zu verschaffen, 
wie sich nach seiner Ueberzeugung die Einschätzung in den einzelnen Fällen sachgemäß zu 
gestalten haben werde. Zu diesem Zwecke hat er auch die Ergebnisse der letzten Ein- 
schätzung in Vergleich zu ziehen und das zu berücksichtigen, was bei der Erörterung von 
Rechtsmitteln, der Benutzung von Geschäftsbüchern und dergleichen festgestellt worden ist. 
Ganz besondere Sorgfalt hat er auf die Prüfung der Deklarationen zu verwenden. 
Es ist eine oft gehörte Klage, daß den Deklarationen zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt 
und über ihre Angaben zu leicht hinweggegangen werde. Um so mehr ist es Aufgabe des 
Vorsitzenden, etwaige Zweifel, die ihm gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit der Dekla- 
rationen beigehen, durch geeignete Erörterungen, sowie durch schriftliche oder mündliche 
Vernehmung mit den Beitragspflichtigen zu beseitigen, Mißverständnisse aufzuklären und 
Berichtigungen falscher Angaben herbeizuführen. Dies möglichst noch im Vorbereitungs- 
stadium zu besorgen und nicht erst einer Beschlußfassung der Einschätzungskommission zu 
überlassen, erscheint auch deshalb rathsam, weil auf solchem Wege mehr Zeit für die 
Klarstellung gewonnen und dabei doch der Gefahr einer Verzögerung des Kataster- 
abschlusses vorgebeugt wird. Allerdings kann dem Vorsitzenden nicht von vornherein 
genau vorgeschrieben werden, wie weit er mit Befragungen der Betheiligten gehen darf, 
ohne das Verfahren zu verschleppen oder sich den Vorwurf indiskreten Verhaltens 
zuzuziehen. Im allgemeinen wird er sich, dafern ihm die Räthlichkeit einer Anfrage 
zweifelhaft erscheint, eher für als gegen den Erlaß einer solchen zu entscheiden haben. 
Doch muß es seinem Taktgefühle überlassen bleiben, im gegebenen Falle die richtige 
Grenze zu finden. Das Gleiche gilt von der Auswahl der Punkte, auf welche die Be- 
fragung gerichtet werden soll. Jedenfalls ist die letztere den besonderen Verhältnissen des 
betreffenden Beitragspflichtigen sorgfältig anzupassen, sowie unter Ausscheidung alles 
Entbehrlichen und Nebensächlichen auf das im Einzelfalle gebotene Maß zu beschränken. 
Zu vermeiden sind deshalb schematisch entworfene umfangreiche Fragebogen, die auf die 
verschiedensten denkbaren Möglichkeiten eingerichtet sind und den Empfänger nicht selten 
ohne genügenden Anlaß nöthigen würden, seine gesammten Erwerbs= und Einkommens- 
verhältnisse ausführlich auseinanderzusetzen. 
Je nach den Umständen muß sich der Vorsitzende auch darüber schlüssig machen, ob 
er von dem Fragrechte in strenger Form, also unter Androhung der in § 42 Aksatz 3 
des Gesetzes bestimmten Rechtsnachtheile, Gebrauch machen oder dem Betheiligten ohne 
Beifügung einer Rechtsverwarnung nur Gelegenheit zur Aufklärung bieten will. Viel-
	        
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