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nicht geschlossen werden, daß ein solcher unmöglich sei 1); Zweifel können nur darüber
bestehen, wie der Austritt zu vollziehen ist. Mangels besonderer Bestimmungen
wird bei der in Bremen seit langem bestehenden Selbständigkeit der Einzelgemeinden
(unten III) eine Anzeige an die Vertretung der Gemeinde der bisherigen Zugehörig-
keit für genügend zu halten sein 2).
In Lübeck ist der Austritt aus der evangelisch-lutherischen Landeskirche und
der römisch-katholischen Kirchengemeinde im Zusammenhang mit der Verleihung
des Besteuerungsrechtes an sie geregelt; er erfolgt durch eine in Person vor dem
Stadt= und Landamt abzugebende Erklärung, der ein schriftlicher Antrag mindestens
4 Wochen zuvor vorhergehen muß (6G. betr. den Austritt aus der evangelisch-luthe-
rischen Landeskirche im Lüb. Staat v. 16. Jan. 1895, II, S. 303; G. betr. den Aus-
tritt aus der römisch-katholischen Kirchengemeinde v. 14. März 1904, S. 77).
Ueber die religiöse Erziehung der Kinder, deren Regelung
nach Art. 134 EG. zum BGB. dem Landesrecht vorbehalten ist, sind in Lübeck
in § 110—116 des AG. zum B#B. v. 30. Okt. 1899 besondere Bestimmungen ge-
troffen. In Ermangelung solcher hat in Bremen die religiöse Erziehung der Kin-
der als Teil der Sorge für ihre Person zu gelten 3).
II. Die Religionsgesellschaften nehmen nach der geschichtlichen
Entwicklung in Deutschland eine besondere Stellung im Staate vor anderen Vereinen
ein. Das allgemeine Vereinsrecht findet auf sie nicht oder nur vorbehaltlich besonderer
Bestimmungen des Landesrechts Anwendung (Reichsvereins-G. v. 19. April 1908
§ 24; EG. zum BG#B. Art. 83).
a) Zur Bildung neuer Religionsgesellschaften ist in
beiden Staaten staatliche Genehmigung nicht erforderlich). In Bremen er-
wirbt eine Religionsgesellschaft auch die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Be-
stimmungen durch Eintragung in das Vereinsregister (BG#B. § 21; Einspruch der
Verwaltungsbehörde nach § 26) 5). Allerdings ist nach § 57 d der Brem. Verf. zur
1) Vgl. Friedberg, Lehrb. des Kirchenrechts 5, § 94, Anm. 11; auch die Begründung der
Senatsvorlage Verh. 1914, S. 412.
2) Nach einem vor kurzem vom Senat vorgelegten, aber von der Bürgerschaft einstweilen
an ihn zurückverwiesenen Entwurf (Verh. 1914, S. 412) soll der Austritt aus der evangelischen
und katholischen Kirche als vollzogen gelten durch eine in Person gegenüber der Senatskommis-
sion für kirchliche Angelegenheiten abzugebende Erklärung, deren Aufnahme mindestens einen
Monat zuvor schriftlich oder mündlich zu beantragen ist. Ein 1909 vom Senat vorgelegter Ent-
wurf eines Kirchensteuergesetzes für Bremerhaven sah Erklärung des Austritts gegenüber der Ge-
meindevertretung vor (Verh. 1909, S. 493). — In Hamburg ist der Austritt aus einer der
anerkannten religiösen Gemeinschaften allgemein geregelt durch Ges. v. 12. Dez. 1888: Vollziehung
durch Erklärung gegenüber der Aufsichtsbehörde für die Standesämter, die 4 Wochen vorher zu
beantragen ist.
3) Ebenso für Hamburg, wo auch Bestimmungen fehlen: HG#Z. 1903, n. 19 und Nöldeke,
Hamb. Privatrecht, § 138 II.
4) In Hamburg ist nach der Verf. Art. 96 und dem Ges. v. 28. Sept. 1860 zur Bildung einer
neuen Religionsgemeinschaft ein Gesetz erforderlich: Nöldeke, Hamb. Privatrecht, S. 128.
5) Nach §12 der Brem. Verf. ist jeder Staatsangehörige „zu gemeinsamen häuslichen Uebungen
seiner Religion berechtigt“; die Verf. v. 1849 (§ 20) fügte hinzu: „Neue Religionsgesellschaften dür-
fen sich bilden; einer Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht“. Die rev.
Verf. v. 1854 übernahm diesen Zusatz nicht. Andererseits gibt es auch keine Vorschrift, welche zur
Bildung einer Religionsgemeinschaft staatliche Genehmigung vorschreibt; es kommt das allgemeine
Vereinsrecht zur Anwendung, das die Bildung neuer Vereine frei gibt. Bis zum Inkrafttreten
des BG#B. verlieh der Senat den Religionsgesellschaften Korporationsrechte, so der israelitischen
Gemeinde, der Baptistengemeinde u. a.