Contents: Das Deutsche Reich zur Zeit Bismarcks.

Das Unsallversicherungsgesetz: Berussgenossenschaflen, Arbeiterausschüsse, Schiedsgerichle. 417 
Der Entwurf handelte dann weiter von den Arbeiterausschüssen und 
Schiedsgerichten. Hier war eine erhebliche Erweiterung der Zuständigkeit der Ar- 
beiterausschüsse vorgesehen, sowohl durch ihre Mitwirkung bei Untersuchung der Unfälle 
als bei Besetzung des Neichsversicherungsamtes. Für jede Genossenschaft oder, wenn 
die Genossenschaft in Sektionen geteilt ist, für jede Sektion sollte ein Arbeiteransschuß 
errichtet, für jeden Bezirk aber, in welchem ein Arbeiterausschuß gebildet ist, ein Schieds- 
gericht eingesetzt werden. Das Schiedsgericht besteht aus einem Vorsitzenden und vier 
Beisitzern. Der Vorsitzende und ein Stellvertreter werden aus der Zahl der öffent- 
lichen Beamten von der Zentralbehörde des Landes ernannt. Zwei Beisitzer und vier 
Stellvertreter sollten nach dem Entwurfe von der Genossenschaft ernannt, die anderen 
beiden Beisitzer nebst vier Stellvertretern dagegen vom Arbeiterausschuß auf vier 
Jahre gewählt werden. 
Gegen diese Bestimmung des Entwurses erhob sich aus der großen Mehrheit 
der Industriellen nachdrücklicher Widerspruch. Schafse man diese Arbeiteransschüsse 
neben den Berufsgenossenschaften, wandte man ein, so würden dieselben sicherlich, in- 
folge der sozialistischen Verhetzung und aus Klasseneigennutz, ziemlich ausnahmslos zu 
Ausschüssen gegen die Berufsgenossenschaften werden. Die Klassengegensätze würden 
dann nicht versöhnt, sondern verschärst; auch würden die Arbeiter selbst nicht ver- 
stehen, daß man sie zu gutachtlichen Außerungen über die Betriebsleitung auffordere. 
Die namentlich in gefährlichen Betrieben höchst wichtige Manneszucht werde bedenklich 
gelockert und Hetzereien aller Art in diesen Arbeiterausschüssen ein empfänglicher und 
fruchtbarer Boden bereitet werden. Diese Bedenken machten namentlich die National- 
liberalen, aber auch das Zentrum im Reichstagsausschuß geltend, und es gelang 
mit Zustimmung der Regierung, eine Fassung zu finden, welche diese Bedenken be- 
seitigte. Man strich nämlich in der Kommission die „Arbeiterausschüsse“ gänzlich. Sie 
bestimmte dagegen: daß an der Spitze der Berufsgenossenschaften Genossenschafts- 
vorstände treten, welche zu gleicher Zahl von den Betriebsunternehmern und von der 
„Vertretung der Arbeiter“ besetzt werden sollten. 
Sehr bezeichnend war, daß bei der Beratung der Kommissionsanträge im Plenum 
des Neichstags, am 20. Juni 1884, die Parteien, welche unbedingt gegen das ganze 
Gesetz waren, die Deutschfreisinnigen, Volksparteiler und Sozialdemokraten, die 
Wiederherstellung der Negierungsvorlage, d. h. der „Arbeiterausschüsse“, und die Be- 
seitigung der von der Kommission vorgeschlagenen „Vertretung der Arbeiter“ ver- 
langten. Aber dieser Antrag wurde mit 152 gegen 77 Stimmen abgelehnt. In der 
That erschien, wie auch das oben angeführte Urteil eines so berusenen und freisinnigen 
Fachmannes wie des Prosessors von Zerleder in Bern beweist, nach Annahme des 
Ausschußantrages die Mitwirkung der Arbeiter durch ihre gewählten Vertreter in 
vollkommen ausreichendem Maße gesichert. Diese Mitwirkung war im Interesse ihrer 
Mitarbeiter namentlich in zwei Punkten besonders wertvoll, nämlich bei der Anzeige 
und Untersuchung der Unsälle (nach §§ 51 sf. des Gesetzes) und bei dem Erlaß von 
Vorschriften für die Verhütung von Unsällen (§ 78). Zur Einschärfung und Durch- 
führung dieser Verhütungsvorschriften erhielten nämlich die Berufsgenossenschaften 
Olum, Las Teutsche Neich zur Zeit Biemarcks 27 
  
	        
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