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obersten Stufe. In den schriftlichen Arbeiten der ersten Lehrgänge dürfen nur Wörter,
Formen und Konstruktionen vorkommen, die gründlich eingeübt worden sind. Die
Hausarbeiten sollen hinter den Klassenarbeiten nicht zu sehr zurücktreten, damit auch
die langsamer arbeitenden Schülerinnen Gelegenheit haben, ihr Wissen und Können
zu beweisen, und damit alle an Sorgfalt und Sauberkeit in der äußeren Haltung der
Hefte gewöhnt werden. Auch dürfen die Klassenarbeiten, für die der Text häufiger
im Anschluß an die Lektüre auszuarbeiten ist, nicht das Wesen peinlicher Prüfungs—
arbeiten dadurch annehmen, daß nach ihrem Ausfall einseitig das Können der
Schülerin beurteilt wird. Nicht genug kann davor gewarnt werden, den Schülerinnen
Schwierigkeiten zuzumuten, die über die Sprachmittel hinausgehen, deren Verwen—
dung ihnen geläufig und vertraut geworden ist. Die deutsche Vorlage soll schlicht und
leicht verständlich sein und nicht darauf ausgehen, möglichst viel Regeln in sich zu
schließen. Wichtiger ist es, von vornherein darauf zu achten, daß sie Gelegenheit bietet,
die deutsche Sprachform in die der lateinischen Sprache eigentümliche umzudenken
und so ein Verständnis für die Eigenart beider Sprachen zu beweisen und aus—
zubilden.
6. Sowohl bei den mündlichen Übersetzungsübungen wie im Anschluß an die
Lektüre empfiehlt es sich für alle Stufen, lateinische Fragen zu stellen und dadurch
den Schülerinnen Gelegenheit zu geben, sich in ganzen Sätzen lateinisch auszudrücken
und schließlich kleine Berichte über das Übersetzte und Gelesene zu geben. In den
oberen Klassen der gymnasialen Abteilungen mögen dann und wann auch kleine
Aufgaben zu freier Bearbeitung gestellt werden, nur ist auf derartige Leistungen ein
entscheidendes Gewicht nicht zu legen.
7. Eine besonders wichtige Aufgabe ist die erste Einführung in zusammenhängende
Lektüre. Auf das sorgfältigste muß hier ausgenutzt werden, was im deutschen und
französischen Unterricht an Erkenntnis des logischen Verhältnisses der einzelnen Neben-
sätze zum Hauptsatz und zueinander gewonnen worden ist. Zunächst verfährt man
ebenso wie anfangs bei der Übersetzung der Übungssätze ins Deutsche: der Lehrer liest
den Satz vor, die noch unbekannten Wörter werden erläutert und notwendige gram-
matische und sachliche Erklärungen gegeben, alles möglichst unter Anlehnung an Be-
kanntes und unter Heranziehung der ganzen Klasse. Die dann folgende Entwicklung
der Konstruktion kann bei größeren Perioden mit Nutzen durch ein Satzbild an der
Tafel anschaulich gemacht werden, wie es die Schülerinnen von der deutschen Satz-
lehre her gewohnt sind. Nun erst übersetzt eine Schülerin, ohne unterbrochen zu
werden, und die Gesamtheit übernimmt die Verbesserungen. An geeigneten Ein-
schnitten gibt der Lehrer die etwa noch notwendigen sachlichen Erklärungen wie seine
eigene Übersetzung und verlangt zum Schlusse ein sinngemäßes Lesen des über-