Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1910. (76)

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wie im Freien zur Selbstbeobachtung der Naturkörper und Naturvorgänge sowie 
zu planmäßig angelegten Versuchen anzuleiten. Somit sollen in erster Linie mög— 
lichst die Naturdinge und -Vorgänge selbst und nicht zunächst deren Nachbildungen 
zur Beobachtung herangezogen werden. Alles gedächtnismäßige Lernen ist auf das 
Notwendigste zu beschränken. 
2. Der Unterricht in Botanik und Zoologie gründet sich auf Beobachtung, 
Beschreibung und Vergleichung. Er geht vom Einzelwesen (oder einer einzelnen 
Beobachtung) aus, beschreibt seine Gestaltung, sucht seine Lebenserscheinungen und 
Lebensbeziehungen zu erkennen, vergleicht es mit verwandten Formen, um zu syste- 
matischen Begriffen vorzudringen. Von Anfang an ist auf die Beziehungen von 
Gestalt zur Organisation und Lebensweise Bedacht zu nehmen und sind einfachste 
physikalische und chemische Versuche (Atmung, kleine pflanzenphysiologische Ver- 
suche usw.) an geeigneter Stelle einzuschalten. 
Im botanischen Unterricht sollen, soweit es sich um die heimische Flora handelt, 
lebende Pflanzen zur Verwendung kommen, es ist möglichst jeder Schülerin ein 
Stück in die Hand zu geben, so daß sie nicht nur die zu besprechenden Formen 
genau beobachten, sondern auch die Pflanze zerlegen kann. Außerdem ist die Selbst- 
tätigkeit durch freiwillige Beobachtungsaufgaben (über das Auftreten von Knospen, 
ersten Blättern, durch Anstellen von Keimversuchen usw.) anzuregen. Der Behandlung 
der für die Ernährung und Bekleidung namentlich in Frage kommenden ausländischen 
Kulturpflanzen gehen die heimischen voran; die ausländischen sind durch geeignete 
Präparate, Tafelwerke und dergleichen zu veranschaulichen. Ubungen im Bestimmen 
von Pflanzen sind zu empfehlen, dürfen aber nicht einen zu breiten Raum ein- 
nehmen. 
Zur Beschaffung des Pflanzenmaterials wie auch zu Beobachtungen über Ent- 
wicklungsvorgänge ist die Anlage eines Schulgartens wünschenswert. Lebens- 
gemeinschaften, Abhängigkeitsbeziehungen von Tier und Pflanze und dergleichen sind 
auf naturwissenschaftlichen Spaziergängen aus eigener Anschauung kennen zu lernen. 
Als weiteres Veranschaulichungsmittel kommt neben Tafelmaterial und Modellen 
das Zeichnen (Modellieren) in Betracht, das nicht nur von seiten des Lehrenden 
auszuüben (schematische Bilder an der Tafel), sondern auch von Schülerinnen zu ver- 
langen ist. Bei Besprechung von Kleinwesen und dem inneren Bau der Pflanze 
ist das Mikroskop zu benutzen. Das alles gilt auch im allgemeinen vom zoologischen 
Unterricht, bei dem allerdings der Natur der Sache nach das lebende Wesen nicht 
in dem Umfange herangezogen werden kann, wie im botanischen. Immerhin können 
Beobachtungen von Tieren im Käfig, in Terrarien und Aquarien gemacht werden.
	        
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