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liede und in den klassischen Musikwerken ruhenden Gedankenwelt erforderlich ist,
insbesondere aber die notwendige Verbindung zwischen den Elementen der Musik und
dem stimmlichen Mechanismus herstellen, damit das eigene Tonvermögen geweckt,
gestärkt und für das persönliche Gefühls- und Empfindungsleben nutzbar werde.
2. Anknüpfend an die Ergebnisse des Vorbereitungsunterrichtes nimmt sich die
Studienanstalt der Ausbildung des Gehörs, der Stimme und des musikalischen Ge—
schmackes an.
a) Von der Empfänglichkeit des Ohres für musikalische Eindrücke, sowie von seiner
Unterscheidungsgabe für die Eigenschaften der Töne hängt der Erfolg des Unterrichts
ab. Durch planmäßige und oft zu wiederholende Übungen muß dieses Organ zur
Wahrnehmung rhythmischer und akustischer Verschiedenheiten erzogen und zu ihrer
näheren Bestimmung angehalten werden. Hierbei ist für die Verdeutlichung der Ton—
vorstellungen die stete Anwendung der Tonsymbole — Noten, Tonsilben oder Ton—
worte — von dem allergrößten Werte. Nicht minder vermag aber auch der Einblick
in das Wesen der Melodie und Harmonie die geheimnisvollen Beziehungen der Töne
untereinander aufzuklären und der Treffsicherheit und Tonreinheit eine wichtige Stütze
zu verleihen. Wird zudem das Gehör durch Musikdiktate aller Art andauernd unter
Kontrolle gestellt, so erhält die Einzelstimme mit der Zeit von selbst die Kraft zu un—
abhängiger Betätigung und die Fähigkeit, mehrstimmig und vom Blatt zu singen.
b) Die Ausbildung der Stimme hat, ohne in ein Fachstudium zu verfallen, doch
nach den allgemein geltenden Regeln der Gesangskunst zu erfolgen; es ist also das
richtige Atmen und ein guter Tonansatz zu lehren, die Lautierung durchzugehen, die
Aussprache deutlicher und klangvoller zu gestalten, sowie die Geläufigkeit und Aus—
drucksfähigkeit zu vermehren. Das Tonschöne gilt dabei als Grundgesetz, weshalb
auch keiner Stimme mehr zugemutet werden darf, als sie ihrer Natur nach zu leisten
imstande ist. Alle Übungen sind daher auf ein vernünftiges Maß zu beschränken.
Die Stimmen sind im Schuljahr öfters zu prüfen und nach dem Stimmumfang zu
sondern.
c) Es wird der ein- und mehrstimmige Gesang gepflegt, letzterer wenn nicht
drei- oder vier- so doch zweistimmig. Den musikalischen Lehrstoff bietet in erster
Linie das deutsche geistliche und weltliche Volkslied dar, wobei solche Sammlungen
vorzuziehen sind, welche die für die Schule bestimmten Lieder unverstümmelt haben.
Die Auswahl fest einzuprägender und ohne Begleitung zu singender Lieder ist mög—
lichst in Übereinstimmung mit den im Religions- und Deutschunterricht berührten
Texten zu treffen. Mit ihrer Kenntnis soll sich Geschmack im Vortrag verbinden,
dessen weitere Veredelung durch Einführung in Werke der Kunstmusik besorgt wird.
Was die Chorliteratur an Originalwerken oder geschickten Bearbeitungen klassischer