Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1915. (81)

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wird es sich darum handeln, den wirklichen Naturvorgang, der gewöhnlich viel zu 
verwickelt ist, als daß man ihm in der Schule erfolgreich in allen Stücken beikommen 
könnte, im Versuche in vereinfachter Weise darzustellen. Die Schüler sind dann vor 
die Aufgabe der einfachsten, treffendsten und methodisch zweckmäßigsten Versuchs— 
anordnung gestellt. Hierbei ist die selbständige Erwägung der einzelnen Schüler 
weitgehend in Anspruch zu nehmen. Naturlehre, die ihre Hauptaufgabe in dem durch 
Experimente unterstützten Vortrage erblickt, sinkt herab zur bloßen Schaustellung und 
verzichtet auf eine der wertvollsten Gelegenheiten, die Schüler zu selbständigem 
Nachdenken zu erziehen. Auch ein Unterrichtsbetrieb, der sich in der Darstellung 
der Vorgänge an Wandtafelzeichnungen und Bildern und in bloß mathematischen 
Erörterungen erschöpft, entspricht nicht den Aufgaben der Lehrerbildung. Besonderer 
Wert ist darauf zu legen, daß auch mit einfachen Mitteln physikalische Experimente 
ausgeführt werden. 
(4) Die Chemie muß sich frei halten von der Vorführung bloßer Reaktionen und 
der Vornahme von Analysen nach bestimmtem Schema aus nur formellen Gründen. 
Sie darf in diesen Arbeiten nur Mittel zu dem Zwecke erblicken, bestimmte Gesetz- 
mäßigkeiten und große Zusammenhänge zu erkennen oder die Gründe für die Be- 
deutung der so behandelten Stoffe für das Leben in der Natur und für die besonderen 
Bedürfnisse des Menschen zu erfassen. Auch der physikalische Lehrgang hat auf diese 
Bedürfnisse Bezug zu nehmen und zu zeigen, wie die Naturkräfte in den Dienst des 
Menschen gestellt und Einrichtungen geschaffen werden können sowohl zur Förderung 
von Handel und Verkehr, von Gewerbe und Haus= und Landwirtschaft usw. als auch 
zum Schutze gegen allerlei schädliche Einwirkungen oder wenigstens zum Erkennen 
vorhandener Gefahr. 
(6) Die physikalisch-chemischen Schülerübungen dienen zunächst der Ausbildung 
in der Handhabung einfacher Apparate und Geräte sowie der Einführung in die 
chemische und physikalische Arbeitsweise; auch sollen sie dem Schüler Gelegenheit 
zur Betätigung seiner Erfindungsgabe bieten und ihn anleiten, mit einfachsten 
Mitteln, die ihm überall leicht zur Verfügung stehen, Apparate (namentlich solche, 
die in der Volksschule gebraucht werden) selbst herzustellen. Im übrigen gilt im all- 
gemeinen dasselbe, was oben hinsichtlich der naturgeschichtlichen ÜUbungen gesagt ist. 
Dem Unterrichte eingegliederte Untersuchungen in gleicher Front können besonders 
auf der Oberstufe durch selbständige Arbeiten einzelner Gruppen abgelöst werden. 
Es empfiehlt sich aber, eine beschränkte Reihe kleiner, für die gesamte Lehraufgabe 
unentbehrlicher und für die Übungsform geeigneter Stoffe auszuwählen, deren Be- 
arbeitung allen Schülern einer Klasse zugewiesen wird. Gewarnt wird vor zu starker 
Betonung bloß messender Versuche zum Zwecke der Ableitung von Gesetzen; wesentlich 
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