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Zollsperre. Im Hirblick auf die hohe Wahrscheinlichkeit, daß der Ent-
wurf des neuen Zolltarifs in seinen wesentlichen Teilen die Zustimmung des
Reichstags finden werde, sah sich Bismarck veranlaßt, am 7. Mai 18791) im
Auftrage Seiner Majestät des Kaisers dem Bundesrat einen weiteren Gesetz-
vorschlag zu machen, um die Möglichkeit zu sichern, den neuen Zoll für einzelne
Gegenstände durch beschleunigtes Verfahren im Bundesrat und im Reichstag
schon vor der Feststellung und dem Inkrafttreten des Tarifs vorläufig zu erheben.
Der Vorschlag wurde von den Ausschüssen für Zoll-, Steuer= und Justizwesen
mit einer unerheblichen Modifikation im § 3 angenommen. Es wurde ferner
beschlossen, in den Motiven, welche dem Gesetz für den Reichstag beigegeben
werden sollten, ausdrücklich hervorzuheben, daß durch die Vorlage auf eine Nach-
besteuerung des Tabaks nicht verzichtet werden solle. Eine Anwendung des
Gesetzes verlange für den betreffenden Fall eine besondere Gesetzgebung. :2) Nach
der „National-Zeitung“ soll Bayern im Ausschuß das Sperrgesetz als dauerndes
Gesetz beanstandet und die Genehmigung nur für die Beratung des jetzigen
Tarifs zu erteilen beantragt haben, damit jedoch in der Minderheit geblieben sein.
In der Bundesratssitzung vom 15. Mai 1879 lag ein Antrag Hamburgs
vor, welcher vom Bevollmächtigen für Lübeck unterstützt wurde, der nach § 4
des Entwurfs folgenden neuen Paragraphen aufnehmen wollte: „Der Bundesrat
ist befugt, falls das betreffende, dem Reichstag im Entwurf zur Beschlußfassung
vorgelegte Gesetz (§ 1) in Kraft tritt, die Erstattung respektive Wiederabschreibung
von Zollbeträgen, welche auf Grund der Anordnung des Reichskanzlers von
bis dahin gesetzlich zollfreien Gegenständen oder über den bis dahin gesetzlichen
Zoll hinaus entrichtet oder zu Lasten des Zollschuldners angeschrieben sind, zu
bewilligen, wenn der überzeugende Nachweis geführt wird, daß die Bestellung
der eingeführten Waren durch die Empfänger schon vor dem 8. Mai d. J. in
gutem Glauben stattgefunden hatte.“ Dieser Antrag wurde abgelehnt. Für
denselben stimmte Lübeck, Hamburg und Bremen. Auf Antrag des Bevoll-
mächtigten für Lübeck wurde konstatirt, daß die Ablehnung des Antrags von
der Ansicht ausgegangen ist, daß das in betreff der Gewährung von Zollbeschlüssen
bisher angewandte Verfahren auch bezüglich solcher Zölle Anwendung finden
werde, welche auf Grund des in Rede stehenden Gesetzes vorläufig in Hebung
gesetzt werden. Dem Gesetzentwurf wurde gegen die Stimme von Lübeck die
Zustimmung erteilt.3)
1) In Kohls Bismarck-Regesten nicht erwähnt. Drucks. Nr. 85 in der S. 24 Note 2
cit. Quelle.
2) Ausschußantrag Drucks. Nr. 89 in der a. a. O. cit. Quelle.
3) § 294 der Prot. in der a. a. O. cit. Quelle. Wortlaut des Entwurfs in der
„Nat.-Zig.“ Nr. 215 v. 10. 5. 79 und „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 188 v. 17. 5. 79. Eine
Kritik desselben vom freihändlerischen Standpunkt s. „Nat.-Ztg.“ Nr. 220 v. 13. 5. 79
u. Nr. 227 v. 17. 5. 79 (Motive).