Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 14. Die juristische Persönlichkeit des korporativen Verbandes 107 
das technische Hülfsmittel dar, um mit einem Schlagworte die An- 
wendbarkeit eines bestimmten Komplexes von Rechtsregeln, welche 
an den Rechtsverhältnissen der einzelnen, individuellen Personen ent- 
wickelt sind, auch auf solche Rechtsverhältnisse zu vermitteln, in denen 
ein korporativer Verband durch sein Organ als Beteiligter steht. 
Aber dieser Komplex von Rechtsregeln ist durchaus nur ein be- 
srenzter. Neben demselben gelten jene anderen und besonderen 
Rechtsregeln, welche in Rückwirkung der inneren Verfassung die 
Rechtsverhältnisse, in denen ein korporativer Verband zu Dritten steht, 
in besonderer und anderer Weise regeln, als das bei der ausschliefs- 
lichen Beteiligung von Individuen an denselben, inhaltlich gleichen 
Rechtsverhältnissen der Fall ist. 
Und so ist das in seiner Beschränkung durchaus gerechtfertigte 
und zutreffende technische Hülfsmittel, den korporativen- Verband als 
eine Person zu fineieren, nicht nur nicht geeignet, irgend etwas über 
die innere Natur des korporativen Verbandes auszusagen, sondern es 
ist auch nicht geeignet und nicht dazu bestimmt, auch nur das Wesen 
der juristischen Persönlichkeit, d. i. der Anerkennung der rechtlichen 
Wirksamkeit eines korporativen Verbandes? nach aulsen, in seinem 
vollen Umfang zu bezeichnen. Viemehr stellt dasselbe nur die eine 
Seite, die von der Rückwirkung der inneren Verfassung auf die äulseren 
Rechtsverhältnisse des korporativen Verbandes absehende Seite der 
juristischen Persönlichkeit klar. — 
Nach dem allen ergiebt sich, dals der korporative Verband eine 
in seinem Inneren gegründete und auf sich selbst ruhende Erscheinung 
ist. Allerdings tritt demselben in natürlicher Entwicklung seines 
Wesens die juristische Persönlichkeit hinzu; ja diese kann ihm für 
die Verwirklichung bestimmter Gemeinzwecke unentbehrlich sein. 
Allein trotzdem bildet die juristische Persönlichkeit nicht allgemein 
ein wesentliches Merkmal des Begriffes; vor allen Dingen — selbst 
da, wo die juristische Persönlichkeit hinzutritt, ist die Rechtswirkung, 
die sie bezeichnet, wesentlich bedingt durch die innere Verfassung 
des korporativen Verbandes. 
Für den Staat jedoch ist die juristische Persönlichkeit nicht nur 
eine durch die Energie und Vielseitigkeit seiner Wirksamkeit be- 
gründete Notwendigkeit, sie ist zugleich kraft der Macht des Staates, 
sich seine Rechtsordnung selbst zu gestalten, für seine inneren und 
kraft des geltenden Völkerrechtes für seine äulseren Beziehungen überall 
und ausnahmslos positiven Rechtes. 
® Dasselbe gilt von der Stiftung.
	        
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