108 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates.
III. Die Suveränetät des Staates.
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Die dreifache Wurzel der Suveränetät!.
Ist der Staat mit juristischer Persönlichkeit ausgestatteter korporativer
Verband, so lälst ihn diese typische Organisationsform als gleichartig
erscheinen mit gesellschaftlichen Verbindungen, die nach Umfang,
Zweck und Wirkungskraft weitaus, ja bis zur Unvereleichlichkeit hinter
seine eigene Bedeutung für das Leben eines Volkes zurücktreten. Das er-
giebt sich, wenn der Staat, und wäre er auch seinen Machtverhältnissen
nach nur eine hypertrophierte Grolsgemeinde, mit irgend einem Vereine
verglichen wird, der, mit juristischer Persönlichkeit ausgestattet, Zwecke
der Geselligkeit und des Vergnügens verfolgt. Aber der Vergleich ergiebt
es auch, dals die wesentlichen Merkmale oder Eigenschaften, die den
korporativen Verband charakterisieren, einer Steigerung fähig sein
müssen und fähig sind, welche die Grölsen- und Gradunterschiede zu
Unterschieden des Wesens selbst ausschlagen lassen. Und zwar weist
der Staat solche Unterschiede im Vergleiche mit jedem andern kor-
porativen Verbande und damit zugleich mit jeder andern gesellschaftlichen
Organisationsform unter einer dreifachen Betrachtung auf.
I. Am augenfälligsten ist der Unterschied, der am äufseren
Umfange und Bereiche seiner Organisation hervortritt.
Der Staat ist Gebietskörperschaft. Unter den Begriff des
Staates ziehen wir immer nur ein Gemeinwesen, das durch sein Gebiet
die Volksgemeinschaft abgrenzt und derselben zugleich im Innern den
gesicherten Stand- und Stützpunkt auf der Erdoberfläche gewährt, der
für jede geregelte menschliche Lebensentfaltung naturnotwendig ist.
Das rechtliche Wesen der Gebietskörperschaft ist es nicht, dals
der korporative Verband als solcher — abgesehen von besondern,
namentlich privatrechtlichen Rechtsverhältnissen, die auch er als juri-
stische Person zu begründen vermag — in einem Verhältnisse zu
seinem Gebiete stände, das irgend eine Analogie des Sachenrechtes
fordert oder duldet. Dasselbe bewirkt es auch nicht, dals die recht-
liche Wirksamkeit des korporativen Verbandes schlechthin auf sein
! An einer Dogmengeschichte des Suveränetätsbegriffes fehlt es gänz-
lich. Nicht einmal die Lehre Bodins hat eine irgend genügende Darstellung
gefunden. Nur seine Definitionen hat man überall eitiert, ohne naclı dem
Zusammenhang seiner ganzen Staatsanschauung zu fragen. Nur aber in diesem
Zusammenhang haben sie eine wissenschaftliche Bedeutung.