$ 18. Die Regierung oder die formellen Hoheitsrechte. 125
Willensbestimmungen ist innerhalb gewisser Grenzen und in einem
gewissen Sinne ein relativer. Denn dieselben Willensbestimmungen,
die sich im Verhältnis zu anderen als regulative verhalten, können
ihrerseits wiederum in einem Abhängigkeitsverhältnis zu vorgehenden
Willensbestimmungen stehen, die alsdann ihrerseits zu ihnen sich wie
regulative zu ausführenden verhalten.
Diese Erscheinung tritt insbesondere innerhalb des Gebietes der
Gesetzgebung und zwar der konstitutionellen, d.h. grundsätzlich
auf eine Mitwirkung der Volksvertretung gestellten Gesetzgebung
hervor.
a. In der modernen Staatsentwicklung sind die wesentlichen
Umwandelungen des öffentlichen Rechtes fast ausnahmslos durch äufser-
lich hervorgehobene Gesetze erfolgt, welchen diejenigen Rechtssätze
einverleibt wurden, denen unter den gegebenen politisch - historischen
Verhältnissen eine hervorragende Bedeutung beigemessen wurde und
welche besondere Bürgschaften der Dauer und der Unverletzlichkeit
dadurch empfingen, dafs ihre Abänderungen an erschwerte Formen
gebunden und ihre Einhaltung durch besondere Verantwortlichkeits-
verhältnisse gesichert wurde.
Es sind dies die Verfassungsgesetze.
In dieser ihrer Bezeichnung ist das Wort „Verfassung“ in einem
durchaus anderen als im materiellen oder systematischen, nämlich
lediglich in einem formellen Sinne genommen? Denn die Ver-
fassungsgesetze beschränken sich schlechterdings nicht auf die Organi-
sation der Staatsgewalt, auf die Rechte der Staatsbürger und die
Pflichten der Unterthanen, kurz auf die Verfassung in einem Sinne,
der durch einen besonderen Inhalt der Rechtssätze charakterisiert
werden könnte. Vielmehr ergreifen ihre Bestimmungen alle Seiten
des Staatslebens; sie beziehen sich wie auf die Verfassung, so auf
die Funktionen des Staates in Gesetzgebung und Vollziehung, so auch
auf die staatlichen Aufgaben, auf die einzelnen Verwaltungszweige,
deren Regelung an irgend einem Punkte und aus irgend einem Grunde
der besonderen Hervorhebung wert befunden wurde.
‚Ihnen, den Verfassungsgesetzen, steht die Summe der „ein-
fachen‘‘ Gesetze gegenüber, für deren rechtsgültigen Erlals die ein-
® In diesem formellen Sinne wird alsdann der Verfassung die Ver-
waltung entgegengesetzt, als der Inbegriff der Vorschriften, Einrichtungen
und Verrichtungen, die nicht auf Verfassungsgesetzen beruhen und gerade
darum zu diesen in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis stehen. Es ist
dies die Terminologie v. Mohls und seiner Schule.