$ 20. Das Grundverhältnis. 131
lich durch den Reehtszweck, durch die Aufgabe auf dem Gebiete
des öffentlichen Rechtes entstehende Rechtsfragen zu bereinigen,
insbesondere Rechtsstreitigkeiten zu schlichten, beherrscht wird. Hier-
durch, durch die Aus- und Absonderung dieses staatlichen Thätigkeits-
kreises in Organisation und Verfahren gewinnen wir — trotz des bleiben-
den Unterschiedes von der Privatrechtspflege — das systematische Recht,
die öffentliche Rechtspflege mit der Privatrechtspflege zum Begriff
der Rechtspflege schlechthin zu verbinden, als der Summe der-
jenigen staatlichen Thätigkeiten, als desjenigen Verwaltungszweiges,
dessen Endzweck — hier absolut dort relativ — das Recht bildet.
Hierdurch denn auch allein, durch die Doppelstellung des Staates
zum Rechte, bestimmt und rechtfertigt sich die dreifache Kategorie
der Staatsaufgaben als Staats-, Wohlfahrts- und Rechtspflege.
Alles in allem aber — in der Realität seiner alle
drei abstrahierten Erscheinungsweisen untrennbar und
ungetrennt vereinigenden Gesamterscheinung ist der
Staat die zu einem suveränen korporativen Verbande
verfalste Gesellschaft, die durch Gesetzgebung und
Vollziehung ihr eigenes Dasein wahrt, die Wohlfahrt
des Volkes und das Recht pflegt.
I. Kapitel.
Der Staat und die bürgerliche Gesellschaft.
8 20.
Das Grundverhältnis.
Der Staat befalst als wesentliches Element seiner eigenen
Bildung und als den Stoff für seine Arbeit: „die bürgerliche Ge-
sellschaft“!. Sie ist die Summe der gesellschaftlich aufeinander
wirkenden menschlichen Kräfte, die sich in .den vom Staate unter-
schiedenen Organisationsformen der freien Anpassung, der Familie,
der.korporativen Verbände, der Grund-. und Schutzherrschaften be-
wegen und bethätigen. In diesen Formen. vollzieht sich der tägliche
Kampf um das physische, wirtschaftliche und geistige Dasein der zwar
überall aufeinander angewiesenen und doch vor allem ihr Selbst be-
hauptenden Individuen.. In ihnen bilden sich die. formlosen oder irgend-
ı Die Litteratur über diesen Begriff bei v. Mohl, Geschichte und Litte-
ratur der Staatswissenschaften I 67 ff. und Eneyklopädie der Staatswissen-
schaften, 2. Aufl, S. 34 Note 1.
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