Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

150 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates. 
Auf der einen Seite sind es freie Gewährungen, die der Staat 
bietet. Dazu gehört die Verleihung der juristischen Persönlichkeit 
überall, wo dieselbe in das freie Ermessen gestellt ist und nicht all- 
gemein oder für einzelne Gemeinschaftskategorieen als ein gesetzliches 
Recht begründet ist. Im übrigen bewegen sich die Gewährungen 
wesentlich in zwei Richtungen. Entweder der Staat verteilt an die 
zu fördernden Vereine ökonomische Unterstützungen (Zuschüsse, Prämien) 
oder er räumt denselben eine gewisse Einflulsnahme auf seine gesetz- 
geberischen oder vollziehenden Entschlielsungen ein. 
Auf der anderen Seite veıleiht das Gesetz auch dem Staate 
keine besonderen Rechte, um Einfluls auf die freien Vereine und 
Bürgschaft für ihre zweckgemälse Thätigkeit zu gewinnen. Vielmehr 
ist der Staat darauf angewiesen, sich von Fall zu Fall diesen Einflufs 
und diese Bürgschaft durch die Bedingungen zu verschaffen, die er 
an seine freien Gewährungen knüpft. 
Damit entwickeln sich besondere rechtliche Verhältnisse auch 
zwischen den |freien Vereinen und dem Staate; die Aufgaben beider 
werden auch rechtlich in das Verhältnis gegenseitiger Ergänzung und 
Unterstützung gesetzt. Aber es ist und bleibt ein Anpassungsverhält- 
nis, welches im Gegensatz zu der Selbstverwaltung auf dem Grundsätze 
der Selbstbestimmung, der rechtlichen Freiheit beider Teile beruht. 
8 24. 
Die kirchlichen Verbände!. 
Zwischen den beiden Gruppen der Selbstverwaltung und des freien 
Vereinswesens, welche die Stellung des Staates zu den gesellschaft- 
lichen Vereinigungen bezeichnen, schiebt sich eine dritte Erscheinung 
von durchaus verschiedenem Charakter ein: die kirchlichen Ver- 
bände. Sie gehören weder dem einen noch dem anderen Gebiete an. 
In aller Selbstverwaltung ist die Wesensgleichheit ihrer Zwecke 
mit denen der staatlichen Verwaltung enthalten. Das Moment der 
Centralisierung und Individualisierung ist es, welches die Scheidung 
zwischen dem Staat und den Selbstverwaltungskörpern bewirkt, welches 
die Verwirklichung bestimmter Gemeinschaftszwecke in ihrer obersten 
Normierung und Kontrolle einerseits und in ihrer unmittelbaren Voll- 
ziehung andererseits selbständig organisiert. Dieser Grundgedanke ist 
auf die kirchlichen Verbände vollständig unanwendbar. 
ı Hinschius, Verhältnisse von Staat und Kirche (Marquardsen, Handb. 
d. öffentl. Rechts I. Bd., 1. Halbbd., S. 187 ff.
	        
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