Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

170 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates. 
lichen Gestaltung beider vorstehen. Das Öffentliche und das Privat- 
recht müssen aufeinander angelegt sein. 
Die Suveränetät ist es, die dem Staate den Beruf auswirkt, dieses 
Verhältnis gegenseitiger Bedingung und Ergänzung zu regeln und zu 
verwirklichen. 
Hier ist es denn erstes Erfordernis, den Wirkungskreis der Privat- 
freiheit abzugrenzen gegenüber dem des Staates. Und zwar geschieht 
dies dadurch, dafs der Staat in der Summe seiner Verwaltungszweige 
sich selbst die Ziele setzt, die seine Thätigkeit bestimmen. Was er 
aulserhalb der Sphäre seiner Kompetenz — einschliefslich der Kompe- 
tenz seiner Selbstverwaltungskörper — belälst, das fällt, soweit die 
Kirche nicht in Betracht kommt, der Sphäre der Privatfreiheit 
anheim. 
Nunmehr wird die abgegrenzte und von ihm als solche anerkannte 
Privatfreiheit zu einem besonderen Gegenstande der Aufgaben und 
Thätigkeiten des Staates. Es entwickelt sich die Verwaltung 
des Privatrechtes als des einen Teiles der Rechtspflege. Aber 
dieser Verwaltungszweig muls eine durchaus besondere und eigen- 
tümliche Natur an sich tragen. Er kann dem Staate keine ma- 
teriellen Aufgaben überweisen; er kann es nicht bezielen, eine 
bestimmte materielle Gestaltung der Lebensverhältnisse durch eine 
eigene und unmittelbare Thätigkeit des Staates oder durch diesem 
gegenüber begründete Gehorsams- und Verantwortlichkeitspflichten 
zu bewirken. Denn damit würde der Begriff und die Erscheinung 
der Privatfreiheit selbst aufgehoben, die ja gerade darin besteht, die 
Gestaltung der Lebensverhältnisse den eigenen Zwecksetzungen, dem 
Selbstbetrieb und der Selbstverantwortlichkeit der Privaten anheim- 
zustellen. Der Staat kann auf diesem Gebiet nur formale Be- 
dingungen der gesellschaftlichen Entwickelung liefern. Er kann die 
Privatfreiheit immer nur und ausschlielslich von der Seite des 
Rechtes ergreifen. 
Wenn sich weiterhin die Verwaltung des Privatrechtes nach drei 
Richtungen hin entfaltet: als Gestaltung der objektiven Privatrechts- 
ordnung durch die Gesetzgebung, als Schutz des Privatrechtes 
im Wege des Civilprozesses, als Förderung des Privatrechtes 
durch die Verwaltung des subjektiven Privatrechtes (frei- 
willige Gerichtsbarkeit), so muls wiederum in allen einzelnen Zweigen 
es die besondere Natur des Privatrechtes sein, welche der Wirksam- 
keit des Staates einen besonderen und eigentümlichen Charakter 
aufdrückt.
	        
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