Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

176 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates. 
Erscheinung der rechtsgeschäftlichen Privatwillkür, die durch den 
Begriff des öffentlichen Rechtes ausgeschlossen ist. 
2. Aber nicht nur das dispositive, sondern auch das absolute 
Privatrecht besitzt um der allgemeinen Natur des Privatrechtes 
willen eine andere Geltungskraft als das dem absoluten Privat- 
recht parallel laufende öffentliche Recht, als diejenigen öffent- 
lichen Rechtsnormen nämlich, welehe nicht nur Ermächtigungen der 
Staatsgewalt oder verzichtbare Gewährungen an die Staatsangehörigen 
regeln. Denn diese letzteren erzeugen überall von der Willkür auch 
der beteiligten Staatsorgane unabhängige Pflichten zu ihrer Durch- 
setzung und — überdies oder, wo die Durchsetzung undurchführ- 
bar, an deren Stelle — zur Sühnung ihrer Übertretung. Das 
öffentliche Unrecht bewirkt notwendig Reaktionen gegen dasselbe. 
Ganz anders die Verletzung des absoluten Privatrechtes. Auch das 
Privatunrecht erzeugt nuranderweitige Bestimmungen 
des rechtlichen Verhältnisses der Privaten unterein- 
ander: die rechtliche Negation eines beabsichtigten, dem absoluten 
Rechte widersprechenden Bindungsverhältnisses (Nichtigkeit) oder die 
verstärkte Fortdauer des bisherigen Bindungsverhältnisses (Erfüllungs- 
pflichten) oder die Zusprechung ausgleichender Vorteile an den Verletzten 
(Entschädigungspflichten, Privatstrafen, Rechtsverwirkungen). Aber 
wie die Geltendmachung alles Privatrechtes, so ist auch die Herbei- 
führung eines den Rechtsfolgen des Privatunrechtes entsprechenden 
* Das gilt auch vom objektiven Civilprozefsrecht. Dafs dasselbe unter 
der Herrschaft der Verhandlungsmaxime im weitesten Umfange- subjektive 
Prozefsrechte erzeugt, welche zu einseitiger und zweiseitiger, wirklicher und 
vorausgesetzter Disposition der Parteien stehen, ist zweifellos. Aber es kennt 
keine dispositiven Rechtssätze. Der Rechtssatz, welcher eine Vereinbarung 
der Parteien über den Gerichtsstand nachläfst, ist nur die Gewährung eines 
einesteils erweiterten, anderenteils — durch die Zustimmung des Gegners — 
verengerten Wahlrechtes unter verschiedenen Gerichten; die Vorschriften über 
die gesetzlichen Gerichtsstände haben schlechterdings nicht die Bedeutung im 
Mangel einer ausdrücklichen Disposition den im vorausgesetzten Willen der 
Parteien liegenden Gerichtsstand zu deklarieren. Die nach C.P.O. a. 19 al. 3 
vorgesehene Regelung des Gerichtsstandes durch Statut oder Beschlufs von 
Gemeinden, Korporationen, Gesellschaften etc. macht die mangels einer solchen 
autonomen Feststellung platzgreifenden Bestimmungen der al. 1 u. 2 nicht 
dispositiv, sondern subsidiär. Die Vorschrift des a. 101, welche die gesetz- 
liche Bestimmung über die Art und Weise der Sicherheitsleistung durch Ver- 
einbarung der Parteien ersetzen läfst, betrifft Privatrecht; denn wenn auch nicht 
das Recht auf Anordnung der Sicherheitsleistung, so ist doch das Recht auf die 
bestellte Sicherheit so sehr Privatrecht, wie das Recht auf Kosten- und Schadens- 
ersatz (vgl. a. 93), für das sie einsteht. A.M. Wach, Civilprozeflsrecht I 116. 188.
	        
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