Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 28. Die Civilgerichtsbarkeit. 181 
schweren, sondern sie beeinflussen die materielle Entscheidung 
selbst in der Ab- oder Zuerkennung der streitigen Rechte. 
Und auch bei Einhaltung jener Vorschriften gilt es für die 
Parteien, die Überzeugung des Richters für die Wahrheit ihrer rechts- 
besründenden Behauptungen zu gewinnen. Von der Erhärtung der- 
selben muls das Prozefsrecht die sachliche Entscheidung abhängig 
machen, obgleich dabei die zufällige äufsere Lage des Streitstoffes und 
der Beweismittel und die technische Geschicklichkeit ihrer Geltend- 
machung vielfach den Ausschlag giebt. Damit geschieht es auch 
von dieser Seite, dafs die Anforderungen des Prozefsrechtes modi- 
fizierende Rückwirkungen ausüben auf den Stoff der Rechte und 
Pflichten, wie er sich aus der reinen Anwendung des objektiven Privat- 
rechtes auf den wahren Thatbestand ergeben würde, dals das materielle 
dem formellen Rechte weicht. 
c. Vor allen Dingen greift hier die Funktion des Urteiles 
ein, Rechtskraft zu beschreiten — Rechtskraft in dem vollen 
Wortsinne, wie sie nach Erschöpfung aller, auch der aufserordentlichen 
Rechtsmittel eintritt. 
Ihre Bedeutung ist zunächst eine formelle in diesem Sinne, 
eine lediglich dem öffentlichen, dem Prozelsrechte angehörende. Hier 
ist es ihre Wirkung, dafs das Recht auf Gehör und Entscheidung in 
dem nämlichen Rechtsstreit, dessen Identität durch die rechtliche Identität 
der Parteien und durch den im Inhalt des Urteiles festgestellten oder 
abgewiesenen Klage- (Widerklage-, Kompensations-) Anspruch be- 
zeichnet ist, vernichtet wird. Denn das Prozelsrecht gewährt in 
einem Rechtsstreite nur einen mit der Rechtskraft abschlielsenden 
Prozels. Es thut dies selbst dann, wenn wesentliche Vorschriften des 
Prozefsrechtes, welche, als nicht blofs in das Ermessen des Richters 
oder auf Verzichtbarkeit der Parteien gestellt, absolute sind, sei es 
durch das rechtskräftige Endurteil selbst, sei es durch das vorher- 
gehende Verfahren verletzt worden sind. 
Die Rechtskraft des Urteiles hat sodann eine materielle 
Wirkung in dem Sinne, dafs den privatrechtlichen Rechten und 
Pflichten, die den Gegenstand des Rechtsstreites bildeten, ein anderer 
und neuer Bindungsgrund gewährt wird, gleicheültig ob das Urteil 
Rechte und Pflichten positiv zuerkennt oder, sie negierend, die recht- 
liche Ungebundenheit anerkennt. Es geschieht dies nicht _dadurch, 
dals bereits das Urteil einen Befehl an die Parteien in dem specifi- 
schen Sinne enthielte, welcher dem Staate ein eigenes Recht auf 
&ehorsam, auf Durchführung des Urteiles gewährt. Ein speeifisches
	        
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