182 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates.
Befehlsmoment in diesem Sinne greift erst Platz, wenn die Partei,
der ein exekutionsfähiges Recht zuerkannt ist, von dem öffentlichen
Rechte, das ihr aus dem exekutionsreifen Urteil entspringt, Gebrauch
macht: die starke Hand des Staates für die Verwirklichung seines
Rechtes zu erlangen. Bis zur Exekution aber und überall da, wo
das Urteil, als abweisendes oder Feststellungsurteil, exekutionsfähig
nicht ist, wirkt das rechtskräftige Urteil — unter diesem Gesichts-
punkte — nicht anders als das objektive Privatrecht im streitlosen
Rechtsverhältnis: es ist nur bindender Malsstab für die Rechte und
Pflichten, welche unter den beteiligten Privaten obwalten. Aber aller-
dings, das rechtskräftige Urteil bewirkt es, dals der bindende Mals-
stab selbst nicht mehr durch das objektive, der vermittelnden An-
wendung auf den konkreten Thatbestand bedürftige Privatrecht, nicht
mehr durch den in Gesetz und Gewohnheitsrecht ausgedrückten Ge-
meinwillen gebildet wird, sondern dafs die Bindung beruht auf dem
speciellen Willensakt des Staates, der im Urteile die Auseinander-
setzung der konkreten Rechte und Pflichten unter den streitenden
Parteien unmittelbar und unanfechtbar bewerkstelligt hat®.
Gewils ist es die ausschliefsliche Absicht des Urteiles, nur das
als Recht und Pflicht festzustellen, was das objektive Privatrecht im
konkreten Falle heischt, nur das bestehende Recht zu deklarieren,
nicht dasselbe neu zu schaffen oder zu ändern. Aber das sind nur
legislatorische Motive, die den ganzen Aufbau des Prozesses be-
herrschen und insbesondere die Pflichten des Richters bestimmen.
Jedoch, das Wesen des Rechtes überhaupt und das des Prozesses ins-
besondere: fordert es nicht minder, dafs dem Rechtsstreit an irgend
einem Punkte ein definitives Ende bereitet werde, d. h. dals das Urteil
an dem Punkte, den die Rechtskraft bezeichnet, unbestreitbar und
unanfechtbar sei. Und so kann nach eingetretener Rechtskraft die
Bindekraft des Urteiles nicht fernerhin an dem Malsstabe des ob-
jektiven Rechtes gemessen werden, sondern es muls sich selber Mals-
stab sein. Es ist zwar Deklaration des Rechtes, aber authentische,
autoritative Deklaration für die konkrete Rechtsgestaltung. Sein
Ausspruch setzt sich zu dem objektiven Privatrecht in ein Verhältnis,
welches dem des authentisch interpretierenden Gesetzes zu dem er-
läuterten Gesetze analog ist“. Es gilt, es hat bindende Kraft für
3 In diesem Sinne autoritativ bindender Feststellung enthält allerdings
das Urteil einen Befehl.
* Aber das Urteil ist keine lex specialis, ist auch nicht authentisch inter«
pretierende lex specialis, weil eben der konstituierende Wille, der psycho«