$ 30. Staatenbund und Bundesstaat. 197
beriett und beschloss. Diese neue Bundesverfassung der
schweizerischen Eidgenossenschaft wurde von 15%/2 Kan-
tonen je nach ihrer Verfassung entweder durch Volksabstimmung oder
durch den grolsen Rat angenommen und, obwohl der Bundesvertrag
von 1815 zweifellos Einstimmigkeit gefordert hätte, ohne jeden Wider-
spruch von der Tagessatzung am 12. September 1848 als angenommen
erklärt. Sie bewirkte, wenn auch in vielfach abweichenden Organi-
sationsformen, die nämliche Umwandlung der Bundesverhältnisse in
der nämlichen Richtung, wie die amerikanische Unionsverfassung. Ihr
erundsätzlicher Abstand von dem Bundesvertrag von 1815 ist seitdem
durch die unter dem 30. Mai 1874 verkündete Totalrevision nach-
drücklich verschärft worden.
Als gleichzeitig mit der Schweiz in Deutschland die Forderung
einer über die Bundesakte hinausgehobenen nationalen Einigung zur
Geltung kam, da konnte das zu erreichende Ziel in einem gesicherten
Sprachgebrauch bezeichnet werden als die Umwandlung des
Staatenbundes in den Bundesstaat.
Das Patent des Königs von Preufsen wegen beschleunigter Ein-
berufung des Vereinigten Landtages vom 18. März 1848 verkündete:
„vor allem verlangen wir, dafs Deutschland aus einem Staatenbunde
in einen Bundesstaat verwandelt werde“.
Die Motive des am 19. Oktober 1849 von dem Verfassungs-
ausschusse der Nationalversanımlung überreichten Entwurfes der
deutschen Reichsverfassung besagten: „Eine neue Bundes-
form, die zwischen der Einheitsregierung und der bisherigen Form
des Staatenbundes in der Mitte steht, die Form des Bundesstaates
kann nach der allgemeinen Ansicht allein den Forderungen genügen,
nur sie kann zunächst den bestehenden Verhältnissen und Interessen
Deutschlands entsprechen“. Bei der „Durchführung der Form des
Bundesstaates für die künftige Gestaltung Deutschlands“ nimmt der
Entwurf nach dem Kommissionsbericht „die zwei Bundesformen,
in denen der Bundesstaat durchgeführt ist, Amerika
und die Schweiz, zugleich mit den Erfahrungen jener
Länder“ zum Beispiel.
Die Denkschrift der Regierungen vom 11. Juni 1849, welche
die dem Dreikönigsbündnis beigefügte Verfassung des deutschen Reiches
* Litteratur bei R. v. Mohl: Die Litteratur des Schweizerischen Staats-
rechtes, in seiner Geschichte und Litteratur der Staatswissenschaften I 471ff.,
und bei Orelli, Das Staatsrecht der schweiz. Eidgenossenschaft, in Mar-
quardsen, Handb. d. öffentl. Rechts IV. Bd., 1. Halbbd., 2. Abt. 1885.