Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 30. Staatenbund und Bundesstaat. 199 
das Veto des letzteren bei Verfassungsänderungen an die preulsische 
Präsidialstimme geknüpft ist®. 
Eigenartig im Vergleich mit der Unionsverfassung ist nur der 
Mangel des Reichsgerichtes und der Grundrechte, sowie eine sprach- 
liche und technisch-juristische, bald verkürzte, bald gedehnte Stilisierung 
der jetzigen Verfassung, die des obersten Gesetzes eines auf seine Sprache 
und Litteratur stolzen Volkes nicht würdig ist. In der Hauptsache ist 
aber das politische und wissenschaftliche Verständnis der heutigen Ver- 
fassung in ihrem Wesen, ja hin und wieder selbst das Verständnis ihres 
Wortlautes bedingt durch den Zusammenhalt mit ihren Vorgängern. 
Denn nicht dafs sie irgend Neues erfanden, sondern dals sie mit der 
geistigen Arbeit der Nation an ihrer politischen Gestaltung, die in 
dem Werke von 1849 ihren unverlorenen Niederschlag fand, die 
historische Kontinuität herstellten, dals sie dem, was verurteilt wurde, 
zunächst ein Programm zu bleiben, praktisches Leben und geltende 
Kraft einflölsten — das ist der Ruhm der Gründer des deutschen 
Reiches. — 
Der historischen Ausprägung der Terminologie, welche die Ver- 
fassungen der amerikanischen Union, der Schweizer Eidgenossenschaft 
‘und des deutschen Reiches zu einer Gruppe verbindet”, entsprechen 
denn auch inhaltlich übereinstimmende Grundzüge: 
die planmälsige Verteilung politischer Aufgaben zwischen einer 
centralen und einer Reihe decentralisierter Organisationen; 
6 Es ist irrtümlich, wenn vielfach angenommen wird, die Unionsverfassung 
habe dem Reichsvorstand ein Veto bei der Gesetzgebung überhaupt — 
nicht blofs bei Verfassungsänderungen — oder auch nur die gesetzgeberische 
Initiative beigelegt. S. Unionsverfassung $$ 76. 99 cl. 194. 
” Der Heranziehung der südamerikanischen Konföderationen behufs Ein- 
reihung in irgend einen Typus der Staatenverbindungen stellt sich die Un- 
zugänglichkeit des Materials entgegen. Mexiko: Konstitution vom 12. Fe- 
bruar 1857, modifiziert durch die Reformakten vom 25. September 1873 und 
6. November 1874. (Keinerlei gegenständliche Begrenzung der Gesetzgebungs- 
kompetenz der Konföderation; Publikation und Ausführung der Bundesgesetze 
durch die Gouverneure der „suveränen Staaten“) Dareste, Constitutions 
modernes II 475f. Argentinische Konföderation: Konstitution vom 
25. September 1860. (Eine Ausdehnung der Kompetenz des Kongresses, die 
jede feste Grenze gegenüber der Kompetenz der Einzelstaaten verwischt, 
jedoch bleiben den letzteren die Rechte, die sie sich bei ihrer Inkorporation 
vertragsmälsig vorbehalten haben; die Gouverneure derselben sind die „natür- 
lichen“ Organe der föderalen Regierung behufs Ausführung der Verfassung 
und Gesetze der Nation.) Dareste ebenda II 525ff. Vereinigte Staaten 
von Kolumbien: Konstitution vom 8. Mai 1863. Unvollständig bei der 
princesse de Lesignano, Les constitutions S. 565. Vereinigte Staaten
	        
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