Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

Vorbemerkungen. 
8 38. 
Die formelle Natur der Kompetenz. 
Die Verfassungen im formellen Sinne, die Verfassungs- 
gesetze entsprechen nicht der Verfassung im materiellen Sinne!. 
Ihr Inhalt ist unter dem systematischen Gesichtspunkte ein zu- 
fälliger, der sich über alle Seiten des Staatslebens, auf die Organisation, 
die Regierung und die Verwaltung des Staates erstreckt. Die historische 
Entwicklung, die Individualität des Gesetzgebers und selbst der Zufall 
des Augenblickes haben überall darüber entschieden, welche einzelnen 
Rechtssätze der Erhebung zum Verfassungsgesetz wert und bedürftig 
erachtet worden sind. 
Nur durch den einen Gesichtspunkt sind alle ihre disparaten Ele- 
mente zusammengehalten, dafs sie der Absicht des Gesetzgebers nach die 
obersten, vor dem Wechsel und vor Verletzung in hervorragender 
Weise geschützten Direktiven für die gesamte Thätigkeit des Staates, 
nicht nur für seine Vollziehung, sondern selbst für seine Gesetzgebung 
bilden sollen. 
Insbesondere weisen die Verfassungen der Einheitsstaaten, auch 
diejenieen, die sich den Anstrich eines umfassenden Lebensplanes 
geben, nirgends die Absicht auf, den Wirkungskreis des Staates, seine 
Aufgaben und Mittel, kurz seine Kompetenz in erschöpfender Weise 
und in specialisierten Klauseln verfassungsgesetzlich festzulegen, in- 
haltlich zu bestimmen und gegen die andern gesellschaftlichen Faktoren 
abzuerenzen. Überall enthalten hier entweder die Verfassungen selbst 
oder die neben denselben in anerkannter Geltung stehenden Rechts- 
sätze so weite und allgemeine rechtliche Ermächtigungen für die selbst- 
herrliche Gestaltung der Kompetenz des Staates, um nicht nur in den 
erschwerten Formen der Verfassungsänderung, sondern auch im Wege 
18.8 18 unter 3a.
	        
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