Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 34. Die systematische Gliederung der Kompetenz. 223 
solche Verwaltungszweige (Unterrichts-, Steuerwesen) von eingreifender 
Bedeutung war, die der Kompetenz der Einzelstaaten unterliegen®. 
Alle Versuche, die gemeingültigen Regeln der Auslegung gegen- 
über den Kompetenzen des Reiches ausnahmsweise zu beschränken, 
könnten eine Rechtfertisung nur finden, wenn das Reich und sein 
Wirkungskreis irgendwie als eine ausnahmsweise Erscheinung im 
Vergleiche mit den Einzelstaaten betrachtet werden könnte”. Sind beide 
nur gleichwesentliche und gleichwertige Bestandteile des einen deut- 
schen Staatswesens, so ist auch für den Nachweis der Kompetenzen des 
Reiches jede Weise und jedes Hülfsmittel der Auslegung gestattet und 
geboten, welche den wahren und zur rechtsverbindlichen Erkennbar- 
keit erhobenen Willen der Verfassung festzustellen vermögen. 
3 34. 
Die systematische Gliederung der Kompetenz. 
Die Auseinandersetzung der Rechte und Pflichten, welche in 
Rücksicht auf die Erfüllung des Staatszweckes zwischen zwei Reihen 
staatlicher Organisationen erforderlich ist, ergab in der Reichskompetenz 
den Rechtsteil, der jedem zusammengesetzten Staat eigentümlich ist 
und seinen wesentlichen Unterschied von dem Einheitsstaat begründet. 
Derselbe wurzelt in einer Vermehrung und in einem Zusammenspiel 
der staatlich wirksamen Kräfte, welche nur durch eine gesteigerte 
Staatskunst ihres Erfolges sicher sein können. Er stellt überall, wo 
diese Staatsform herrscht, einen Komplex überaus schwieriger und 
verwickelter Bestimmungen dar, deren legislative Gestaltung und 
theoretische Darstellung die höchsten Anforderungen an die juristische 
Technik erhebt. 
In Deutschland ist dieser Sachverhalt in Vergleich mit den 
gleichartigen Staatswesen der Vereinigten Staaten Amerikas und der 
Schweizer Eidgenossenschaft in besonderer Weise verschärft. Denn 
die Reichsverfassung ergiebt hier eine weitere Komplikation durch die 
notwendige Unterscheidung zwischen der gemeingültisen und einer 
besonderen Gestaltung der Reichskompetenz. 
I. Die gemeingültige Gestaltung der Reichskompetenz 
macht zwei Voraussetzungen, welche die Verfassung ursprünglich 
6 8. auch die Verhandlungen des norddeutschen Reichstages über den 
Antrag v. Hagke auf Herbeiführung eines allgemeinen Grofsjährigkeits- 
termines (Sten. Ber. 1869 S. 28 £.). 
"So Westerkamp und Trieps a. a. O.
	        
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