Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

230 II. Buch. Die Reichsgewalt. 
besondere bewirkt es, dals jedes letztinstanzliche Urteil eines Einzel- 
gerichtes in der weiten Kompetenz, welches jedes, auch öffentliche 
subjektive Recht dem ordentlichen Rechtsgang unterwirft, vor das 
Bundes-Obergericht gezogen werden kann, wenn dadurch die Gültig- 
keit eines von der Union ausgegangenen Gesetzes oder Vertrages 
oder einer unter ihrer Autorität erteilten Ermächtigung verneint ist, 
oder wenn dadurch ein |Recht verneint wird, welches sich auf die 
Auslegung einer Vorschrift der Verfassung, der Gesetze, der Ver- 
träge oder der: erteilten Ermächtigungen der Union stützt, oder wenn 
dadurch das Gesetz oder der sonstige Akt eines Staates anerkannt 
wird, die behauptetermalsen der Verfassung, den Gesetzen, den ;Ver- 
trägen, den Ermächtigungen der Union widersprechen. 
Mit diesen Rechtsmitteln löst die Verfassung den Ungehorsam und 
den Widerstand auch der Einzelstaaten auf in einzelne Rechtsfälle, 
welche es’ der Union gestatten, ihre Aktion in Beziehung zu setzen 
immer nur auf Individuen und nicht auf Staaten. Die Union ver- 
setzt die Einzelstaaten in die Lage, wenn sie wirksamen Widerstand 
leisten wollen, zur Rebellion zu greifen. Dann aber schlägt sie diese 
Rebellion der Einzelstaaten mit denselben Mitteln nieder, die ihr gegen 
jede andere Rebellion zu Gebote gestellt sind. Freilich — im Se- 
cessionskrieg und insbesondere in der daraufhin erfolgten Rekonstruk- 
tion der Einzelstaaten hat dieser Verfassungsbau mannigfachen Bruch 
erlitten. Trotzdem ist er nach Überwindung einer schweren Über- 
gangszeit, an diesem entscheidenden Punkte unverändert, wieder auf- 
gerichtet worden. 
Ein vollkommen anderes Bild bietet die Verfassung der schwei- 
zerischen Eidgenossenschaft? Sie vermeidet nicht nur nicht 
ein Zusammentreffen von Bund und Kanton auf demselben Verwal- 
tunesgebiet, sondern sie geht überall. von der Voraussetzung aus, dals 
die Kantone zur Mitwirkung berufen sind, um die Kompetenzen der 
Eidgenossenschaft aus- und durchzuführen. Allerdings nirgends hat 
die schweizerische Bundesverfassung das hieraus entspringende Wechsel- 
verhältnis beider Teile zu einem Grundsatze formuliert. Vielmehr 
besteht gerade darin ihre Eigentümlichkeit, dafs sie von Fall zu Fall 
und in bunter Mannigfaltigkeit die konkurrierenden Zuständigkeiten 
beider Theile bestimmt. | 
Auf einzelnen Verwaltungsgebieten des Bundes koncentriert sich 
| 2? Rüttimann, Über die der schweizerischen Eidgenossenschaft für die 
Realisierung des Bundesrechtes zu Gebote stehenden Organe und Zwangs- 
mittel. 1862.
	        
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