Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$35. Die grundsätzliche Gestaltung der Regierungsrechte des Reiches. 933 
stimmte, einzelne Regierungsrechte, auf Gesetzgebung einesteils und 
auf „Oberaufsicht“, „Überwachung“ und eine gewisse oberste Recht- 
sprechung andererseits zu beschränken und damit die in diesem Rahmen 
sich bewegende Vollziehung als das verfassungsmälsige Recht der 
Einzelstaaten anzuerkennen. 
Dieser leitende Gesichtspunkt war es, den die deutschen Re- 
gierungen zuerst in ihren Amendements zur Reichsverfassung nach 
deren erster Lesung, dann aber in der Motivierung und Textuierung 
der Unionsverfassung von 1849 zur Höhe eines beherrschenden 
Grundsatzes erhoben. 
Die erste Kollektiverklärung der Bevollmächtigten für Preufsen 
und 26 andere deutsche Regierungen über die deutsche Reichsver- 
fassung vom 23. Februar 184969 sagt: „Die Regel, dals die Central- 
gewalt das, was sie zur Ausführung anordnet, durch ihre eigenen 
Organe auszuführen, dafs sie dagegen über das, was den Einzelstaaten 
auszuführen obliegt, keine Oberaufsicht auszuüben habe, würde, das 
ist nicht zu verkennen, zu einer schärferen Abgrenzung der Kompetenz 
zwischen Central- und Partikularregierung führen; allein sie würde 
mit den monarchischen Verfassungen und mit den aus alter 
staatlicher Selbständigkeit hervorgegangenen Zuständen Deutschlands 
nieht im Einklang zu bringen sein. Dem Ansehen der Regierungen, 
sowohl in ihren eigenen Augen als in denen ihrer Landesangehörigen, 
wäre es schädlich, wenn in einigem Umfange im eigenen Lande neben 
den Landes-Regierungsbeamten Central-Regierungsbeamte thätig wären; 
die Neigung zum Widerstande, jedenfalls zur Unwillfährigkeit würde 
sich erzeugen und jeder Konflikt wahrscheinlich mit einer Erweiterung 
der Kompetenz der Centralregierung enden. Diese Erwägungen er- 
halten ein eigentümliches Gewicht, wenn die Gentralregierung 
in Verbindung mit grolser Hausmacht gedacht wird. 
Sie treten hingegen nicht ein rücksichtlich der Befugnisse der Central- 
gewalt zum Erlasse allgemeiner Gesetze.“ 
Dem entsprechen denn auch auf das genaueste alle diejenigen 
Abweichungen, welche der in dem Bündnisse vom 26. Mai 1849 ent- 
haltene Verfassungsentwurf in Rücksicht auf die Kompetenzverhältnisse 
von der Reichsverfassung aufweist. Sie finden in der Denkschrift vom 
11. Juni 1849, die „nicht Kommentar, sondern authentische Inter- 
bezeichnet v. Vincke (Hagen) — S. 3352 — es als Prinzip, dafs unter der 
Gesetzgebung und Oberaufsicht des Reiches das selfgovernment der Einzel- 
staaten die Regel bilde. 
6 Roth und Merck, Quellensammlung II 299.
	        
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